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heute in hamburg„Russen sind schon ziemliche Chaoten“

Vortrag: „Einblick in die russische Seele und die Besonderheiten der russischen Mentalität“, 19.45 Uhr, Pro-Linguis, Rothenbaumchaussee 97, Eintritt frei

Interview Thilo Adam

taz: Frau Smokotova, spüren Sie als gebürtige Russin noch kulturelle Unterschiede zu Ihrem deutschen Mann?

Olga Smoktova: Mein Mann dreht durch, wenn ich nur in Andeutungen mit ihm spreche. Russen sagen nur die Hälfte von dem, was sie meinen. Gesichtsausdruck, Situation, sozialer Status sind sehr wichtig. Man spricht von High-Context-Kommunikation: Ganz viel wird unausgesprochen vorausgesetzt.

Ist das in Deutschland anders?

Die Deutschen sprechen sehr präzise und unmissverständlich.

Wir drucksen doch auch mal rum – sind das nicht alles nur Vorurteile?

Vorurteile haben ja oft einen wahren Kern. Russen sind schon ziemliche Chaoten. In einem Land mit im Schnitt acht Menschen pro Quadratkilometer, mit extremer Kälte mussten sie das historisch auch sein – da ist Improvisation und Anpassung gefragt. Wenn die Bedingungen mal passten, musste alles gleichzeitig erledigt werden, dann ging’s drüber und drunter.

Wo hört das sympathisch-augenzwinkernde Klischee auf, wo fängt Rassismus an?

Ich wurde jetzt mehrfach gefragt, ob es bei dem Vortrag Wodka zu trinken gibt. Das finde ich schon grenzwertig.

Wieso beleuchten Sie trotzdem die Unterschiede?

Es gibt so viel unausgesprochenen Argwohn. Wenn man die Gründe für bestimmte Verhaltensweisen kennt, versteht man sich besser.

Sie beraten deutsche Geschäftsleute, die in Russland arbeiten. Was wollen die wissen?

Olga Smoko­tova, 47, lebt seit 20 Jahren in Deutschland. Sie berät deutsche Unternehmen in Russland zu Fragen der Alltagskommunikation.

Manche sind beleidigt, wenn ihnen russische Frauen nicht die Hand geben. Andere wundern sich, wenn sie gebeten werden, in fremden Häusern die Schuhe auszuziehen. Und viele Businessmänner müssen sich an die kollektivistische Haltung in Russland gewöhnen.

Stammt die aus der Sowjetzeit?

Die Wurzeln sind viel älter. Das hat viel mit dem orthodoxen Glauben zu tun. Ein russischer Religionsphilosoph hat einmal gesagt: Katholizismus ist Einheit ohne Freiheit, Protestantismus Freiheit ohne Einheit und Orthodoxie ist Einheit in Freiheit und Freiheit in Einheit.

Ganz schön große Worte.

Gemeinschaft! Brüderlichkeit! Die Russen sind emotionsstark. Deutsche sind manchmal etwas trocken. Mein Mann und ich merken aber: Das ergänzt sich ganz gut.

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