Uribe startet durch

Drei Jahre nach Amtsantritt bereitet Kolumbiens Präsident seine Wiederwahl vor und bindet seine Gegner einfach ein

PORTO ALEGRE taz ■ Für Kolumbiens Präsidenten Álvaro Uribe läuft derzeit alles wie am Schnürchen: Letzte Woche wurde sein Kandidat Luis Alberto Moreno mit Rückendeckung der USA zum Vorsitzenden der Interamerikanischen Entwicklungsbank gewählt. Vorgestern beteiligten sich in der Provinz Antioquia über 2.000 rechte Paramilitärs an einer Entwaffnungszeremonie, der bislang größten ihrer Art.

Und jetzt hat auch noch Uribes Vorgänger Andrés Pastrana das Angebot angenommen, Moreno als Botschafter in Washington zu beerben. Dort wird er für jene Politik werben, die er noch vor Monaten heftig kritisiert hatte.

Die Stimmungsmache in Kolumbien, wo alle, die nicht mit Uribe einverstanden sind, „an die Seite der Terroristen gerückt oder als vaterlandslose Gesellen bezeichnet werden“, sei schlecht für die Demokratie, hatte Pastrana gesagt. Die Verhandlungen mit den Paramilitärs seien bereits vom „Wahlkampftaumel“ beeinflusst, die Grenzen zwischen dem Friedensprozess „mit rätselhaftem Ziel“ und der politischen Macht der Todesschwadronen seien fließend, meinte er.

Mit solchen unbequemen Wahrheiten ist es jetzt vorbei. Der potenzielle Störfaktor Pastrana, der von 1999 bis 2002 ergebnislos mit der Farc-Guerilla verhandelt hatte, ist in den Regierungskonsens eingebunden, der von nahezu allen kolumbianischen Medien verstärkt wird. Ab jetzt macht der smarte Konservative, in dessen Amtszeit das Milliardenprogramm „Plan Colombia“ aufgelegt wurde, Lobbyarbeit für Uribe.

Der wiederum möchte Mitte 2006 wiedergewählt werden. Zwar muss die zu diesem Zweck von seinen Parlamentsmehrheiten beschlossene Verfassungsänderung noch höchstrichterlich abgesegnet werden, doch drei Jahre nach seinem Amtsantritt kann Uribe auf beeindruckende Umfragewerte hinweisen. Sein unnachgiebiger Kurs gegenüber der Farc-Guerilla kommt vor allem bei der städtischen Bevölkerung gut an, die nicht direkt vom Krieg betroffen ist.

Dabei sind die Fronten verhärtet. Der Präsident macht einen Waffenstillstand zur Voraussetzung für Gespräche, die Rebellen fordern eine entmilitarisierte Zone. In den letzten Monaten führten die Farc die Armee immer wieder vor und konnten vor allem in den strategisch wichtigen Südprovinzen Putumayo, Cauca und Nariño Fuß fassen. Doch all dies scheint Uribe nichts anhaben zu können, ebenso wenig wie seine Konzessionen gegenüber den Paramilitärs.

Denn trotz aller mediengerecht inszenierten Waffenübergaben bleibe die soziale und politische Macht der rechten Milizionäre unangetastet, sagt José Manuel Vivanco von Human Rights Watch.

In ihrem Bericht über den Entwaffnungsprozess, der vorgestern in Bogotá vorgestellt wurde, kritisiert die Organisation, dass die Begleitmission der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) die Probleme verschweige und sich der Regierung unterordne. So müsse das im Juni verabschiedete „Gerechtigkeits- und Friedensgesetz“, das den Rädelsführern der Todesschwadronen weitgehende Straffreiheit garantiert, unbedingt revidiert werden, forderte Vivanco. Nur gegen 25 Paramilitärs liefen derzeit Strafverfahren.

Nach Regierungsangaben sollen bislang 8.600 Paramilitärs ihre Waffen niedergelegt haben. Diese Kämpfer würden über mehrere Regierungsprogramme Beschäftigung finden, versprach Uribes Friedensbeauftragter Luis Carlos Restrepo am Montag. In jenen Gebieten, aus denen sich die Paramilitärs zurückziehen, würden 5.000 zusätzliche Polizisten für Sicherheit sorgen. Stunden später geriet in der Sierra Nevada de Santa Marta ein Militär-Lkw in einen Hinterhalt der Farc. Vierzehn Polizisten kamen dabei ums Leben.

GERHARD DILGER