Familiengerechte Hochschulen bleiben eine Vision

Die Hochschule Bremen und die International University dürfen sich jetzt „familiengerecht“ nennen – bis es so weit ist, bleibt aber noch viel zu tun

Bremen taz ■ Überzeugt klingt das nicht, wenn Christiane Hüsing-Jalloh von ihrem Studium erzählt. „Es geht“, sagt die 33-jährige Mutter von zwei Kindern. Vorausgesetzt, man steht morgens um halb sechs auf und sitzt nachts bis um drei am Rechner. Im sechsten Semester studiert sie Soziale Arbeit an der Hochschule Bremen, drei Urlaubssemester inklusive.

Eben diese Hochschule trägt seit neuestem das Markenzeichen „Familiengerechte Hochschule“, verliehen von der gemeinnützigen Hertie-Stiftung. „Eine Auszeichnung ist das nicht“, meint Hüsing-Jalloh. Das habe die Hochschule nicht verdient. „Aber es ist eine mutiges Vorhaben.“

Denn in drei Jahren muss sich die Hochschule erneut beweisen, erst dann wird das so genannte „Audit Familiengerechte Hochschule“ endgültig verliehen. Geschafft haben das bislang nur zwei Hochschulen im Land, die Universität Trier und die Fachhochschule in Ludwigshafen.

Kanzler Peter Henckel gibt sich denn auch zurückhaltend: „Wir sind eine Verpflichtung eingegangen“. Zusätzliches Geld zu deren Verwirklichung sei im Haushalt allerdings nicht vorgesehen.

„Aber wir haben schon einiges getan“, findet Henckel. Zwar gibt es keinen Betriebskindergarten wie an der Universität Bremen. Aber „Flummi“, eine flexible Kinderbetreuung mit rund 15 bis 20 Plätzen, dazu eine Regelbetreuung für etwa zehn unter Dreijährige.

Wie groß der Bedarf unter den rund 8.000 StudentInnen ist, lässt sich schwer errechnen, genaue Zahlen werden nicht erhoben. Rund sechs Prozent aller Studierenden haben ein Kind, sagen bundesweite Schätzungen, im Falle der Hochschule Bremen wären das knapp 500.

Deren Stundenpläne sind bislang alles andere als familiengerecht. „Hier gibt es noch gravierende Defizite“, kritisiert Hüsing-Jalloh und weiß sich an dieser Stelle mit Henckel einig: Das sei nur schwer zu regeln, gibt der Kanzler zu. „Wir haben uns dem Problem mehr oder weniger zugewandt.“ Auch an der Uni Trier weiß man dafür noch keine Lösung. Besserung, so Sprecherin Petra Engelbracht, erhoffe man sich aber von der Umstellung aller Studiengänge auf die zweistufigen Bachelor- und Master-Abschlüsse, deren Stundenpläne in zahlreiche kleine „Module“ aufgeteilt sind.

Insgesamt 23 Hochschulen in Deutschland dürfen neuerdings das „Grundzertifikat“ der Hertie-Stiftung tragen, in Bremen ist dies neben der Hochschule auch die halbprivate International University (IUB). Gerade einmal vier der rund 800 Studierenden in Grohn haben ein Kind, entsprechend bescheiden nehmen sich die Maßnahmen aus, mit denen die IUB ihre Auszeichnung bewirbt: Flexible Arbeitszeitmodelle für die MitarbeiterInnen finden sich da erwähnt, aber auch „Sportmöglichkeiten und interne Kommunikationsmedien“. Dennoch ist Margrit Schreier, eine der Koordinatorinnen des Projekts an der IUB, zufrieden: „Schon die Teilnahme am Audit stößt eine ganze Menge an.“ So gibt es inzwischen alle zwei bis drei Wochen einen Spielkreis für Kleinkinder unter drei Jahren. Und im Laufe des Jahres soll eine Kindergruppe für maximal acht Kinder dazu kommen. Die Stelle der Erzieherin ist noch zu haben. Jan Zier