PHILIPP MAUSSHARDT über KLATSCH
: Bienzle, schleich dich!

Der bräsige Schwaben-„Tatort“ ist schlimmer als Schleichwerbung – und muss weg

Es ist bekanntlich schwer, sich der Feinde im Rücken zu erwehren. Wenn sie nur von vorne kommen würden, aus Hessen, Bayern oder Brandenburg. Aber „Tatort“-Autor Felix Huby, der für den Südwestrundfunk seit 1992 die Krimi-Drehbücher entweder selbst schreibt oder schreiben lässt, ist Schwabe. Und er ist schuld, dass man in Restdeutschland denkt, die Schwaben sind verdruckst, langsam, ziemlich blöd und stinklangweilig.

Ich vermute, dass Huby von anderen Bundesländern dafür eine kleine Zuwendung erhält, seinen „Tatort“-Kommissar Bienzle als Dialekt-Deppen hinzustellen. Würde einen bei den bekannt gewordenen Nebeneinnahmen der „Tatort“-Macher nicht wundern.

Insofern war die zuletzt ausgestrahlte Folge „Bienzle und der Sizilianer“ vor zwei Wochen im Grunde eine einzige Schleichwerbung für ganz Norddeutschland. Amüsiert wird man dort den Trottel aus dem Süden bei der Lösung eines ziemlich simpel gestrickten Krimis verfolgt haben. Die Einschaltquoten jedenfalls waren leider ziemlich hoch.

Während man jedem Bayern seinen Zungenschlag als Ausdruck von Stolz und Stammesbewusstsein abkauft, stehen die Schwaben und die Sachsen in der Dialekt-Hierarchie am unteren Ende der Skala. Es reicht schon die Sätze „Hemmer heit scho d’Stroaß k’hert?“ oder „Gänse f’leisch mol rübergomm“ zu sagen und die meisten Deutschen verfallen in ein hysterisches Gelächter.

„Tatort“-Autor Huby bedient diesen vorauseilenden Lachreflex, was die Schwaben betrifft, aufs Vortrefflichste. Kein anderer „Tatort“-Kommissar ist so bräsig, so verschlafen und so bieder wie eben Kommissar Bienzle.

Wir sind aber gar nicht so. Wir Schwaben beschäftigen uns nicht hauptsächlich mit Heizkostenabrechnungen und wir unterhalten uns nicht in Dialogen des Schreckens.

Hegel, Schelling, Schiller, Hölderlin haben schwäbischen Dialekt gesprochen, wenn sie den Mund aufmachten. Man kann die Hegel’schen Reflexionen vielleicht sogar nur dann verstehen, wenn man sie ins Schwäbische zurückübersetzt: „Aus dem Gesagten folgt, dass das Gehirn (http://de.wikipedia.org/wiki/Gehirn) nicht Sitz des geistigen Selbstbewusstseins sein kann.“ Was, auf Bienzle bezogen, nichts anderes heißen kann als: „Herr, schmeiß Hirn ra.“

Kein Wunder, dass man im Kölner Stadt-Anzeiger nach dieser Folge stöhnte, nun reiche es aber „erst mal wieder mit der schwäbischen Gemütlichkeit“. So geht das seit Jahren: Alle sind froh, wenn der „Tatort“ aus dem Südwesten versendet ist und an den kommenden Sonntagen endlich wieder spannendere Geschichten erzählt werden.

Messerscharf hatte Kommissar Bienzle erkannt, dass sich die sizilianische Mafia im Allgäu ein Rückzugsgebiet geschaffen hat. Aber eigentlich sitzt die Mafia ganz woanders: Es ist jene fest betonierte Allianz zwischen verantwortlichen Redakteuren, Regisseuren, Produktionsfirmen und Drehbuchautoren, die sich gegenseitig die Aufträge zuschanzen und das Geld verteilen. Bienzle-Regisseur Hartmut Griesmayr ist beispielsweise darum besonders beliebt, weil er an Drehtagen wie die Maurer um 17 Uhr die Kamera abstellt.

Dass man sich jetzt darüber aufregt, wenn im heiligen „Tatort“ heimlich gewerbelt wird, mag ja gerechtfertigt sein. Schlimmer aber ist, dass junge Autoren, unbotmäßige Schauspieler oder unkonventionelle Regisseure von den Beamten der Sendeanstalten keine Chance bekommen, damit Mittelmäßigkeit das Maß aller Dinge bleibt.

Bezeichnenderweise wurde in den inkriminierten Schleichwerbungsszenen für Rapsöl und für Heizöl geworben. Es lief halt bisher wie geschmiert.

Aber Hoffnung keimt auf: Noch zweimal darf Bienzle uns Schwaben beleidigen, dann muss er in Ruhestand.

Hier ein paar Vorschläge für das Finale: Auf dem Weg zu seinem nächsten Glas Trollinger wird Bienzle beim Überqueren der Straße von einer Kehrmaschine überfahren. Oder noch besser: Er legt sich nach Rostbraten mit Spätzle zu seiner Hannelore ins Bett, seufzt noch ein letztes „Scheh war’s“ und entschläft.

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