wortwechsel
: „Wer jetzt noch
FDP wählt …“

Der Ausgang der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen hat viele taz-LeserInnen entsetzt. Und nun? Sie haben klare Forderungen an SPD und CDU nach dem Rücktritt Kemmerichs

Im Kreuzfeuer: Christian Lindner Foto: Bodo Schackow/dpa

„Von Faschisten gewählt“, taz vom 6. 2. 20

Die Wahl war eine Zäsur

Die Wahl des thüringischen FDP-Vorsitzenden Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten mit den Stimmen der AfD ist nicht nur ein Skandal, sondern eine politische Zäsur in der Geschichte der Bundesrepublik. Sowohl die FDP als auch die CDU in Thüringen haben aus der deutschen Geschichte nichts gelernt, denn wieder einmal treibt die übertriebene Angst vor den Linken die Konservativen in die Arme der Nazis. Das hatten wir doch alles schon einmal, deshalb sind die Vergleiche mit Hitler nur allzu verständlich. Schließlich kamen die Nazis auch seinerzeit im Land Thüringen zuerst in Deutschland an die Macht. Die bundespolitische Ebene der FDP und CDU ist nun gefordert, hier endlich ein Machtwort zu sprechen und diesem „Spuk“ in Thüringen schnell ein Ende zu bereiten. Andernfalls könnte auch die Groko in Berlin gefährdet sein, denn eine SPD sollte unter diesen Umständen nicht weiter mit einer CDU koalieren, die keine Distanz mehr zu Rechtsextremen artikuliert!

Thomas Henschke, Berlin

Kürzeste Amtszeit ever

Liebe taz Redaktion, aufgrund unterbrochener Nachtruhe hier ein Gedicht:

Nun, Herr ehemaliger Ministerpräsident Kemmerich, wie sind Sie denn dahin gekommen? Haben Sie nicht mit 24 den Osten auseinandergenommen?

Erklärten den Ossis den Westen, sicherlich zu Ihrem eigenen Besten, mit Cowboystiefeln in den Osten, Gold gesucht zum ganz speziellen Mosten,

Treuhandgesellschaften, am Ende nur Ihresgleichen – Gebellschaften. Sind Sie nicht das, was jeder im Osten ablehnt? Wo sich jeder nach Authentizität sehnt?

Schufen eine Friseurkette. Und die Friseur*innen? Die machten sich selbstständig: „Da verdienst du nüscht“, sagte unsere immer, „So bleibt mir mehr, jede Wette. Und eure Frisur wird anständig.“ Statt angemessener Entlohnung: Börsengang, nur Sie machten den großen Fang.

Jetzt Schulterschluss mit Faschisten, machten sich selbst zum Statisten, statt mit Bürgerehre abzulehnen, werden Sie sich noch nach dem Ende sehnen, Händeschütteln – und dabei die Demokratie zerstückeln.

Die einzige Glatze, die in Geschichte aufpasste? Wie hätten wir uns das gewünscht. Die hätte keine Faschistenhand gefasst. Sie griffen bereitwillig zu, haben nie mehr Ihre Ruh.

Gab es nicht schon diese Zeiten, Schulterschlüsse zum vermeintlich Besseren. Splitterten nicht Fensterscheiben? Nicht das Schlimmste, bei Weitem.

Ach sollten wir nicht lieber Mitleid mit Ihnen haben? Sie haben doch nicht lange was zu sagen. Haben Sie es jetzt endlich gemerkt? Bundesminister sagten ab, Journalisten gratulierten nicht zur Wahl, bald ist da nur noch ein leerer Saal.

Kürzeste Amtszeit ever. Das falsche Signal, Sie wurden nicht gewählt, haben sich verzählt. Gold hat der Cowboy gefunden, doch sein Schiff erreichte nie das Meer, ist gesunken. Wanda Witzel, Jena

Totengräber FDP

Herzlichen Glückwunsch, ich freue mich schon auf die nächsten Talkrunden. Dass die FDP sich jetzt als Totengräber der Demokratie erwiesen hat, macht alles viel leichter. Da gibt’s nicht mehr viel zu quatschen! Herzlichen Dank!

Dietmar Rauter, Kronshagen

„Vogelschiss Parteien“

Sie machen in Thüringen weiter, wo der Vogelschiss der Geschichte aufgehört hat. Man kann sie deshalb mit Recht als „Vogelschiss-Parteien“ bezeichnen.

Friedemann Ungerer, Anklam

Demokratietest für CDU

Wie kann es nach diesem Dammbruch weitergehen? Das ist der Demokratietest für die CDU: Toleriert sie demokratische Sozialisten oder verbündet sie sich mit Rechtsradikalen? Die CDU-Führung beteuert zwar, dass die Thüringer CDU gegen den Wunsch der Bundespartei verstoßen habe, aber Konsequenzen haben sie nicht angekündigt. Die „Freien Demokraten“ eiern rum. Ist die AfD für sie ein tolerierbarer Partner? Leute, ihr nennt euch plakativ „Demokraten“, wer soll euch das noch abnehmen?! Den eigentlichen Test muss aber die SPD bestehen: Lässt sie auch das der CDU durchgehen aus Angst vor den Wählern und aus Angst vor der Linken? Dann hat sie auch den letzten Rest an Glaubwürdigkeit verspielt.

Gerd Bock, Gertrud Schmidt, Bremen

Rechte Mehrheit

Mich hat die Abwahl von Bodo Ramelow als Ministerpräsident von Thüringen nicht überrascht. Er hat eindeutig mit der Landtagswahl seine Mehrheit im thüringischen Landtag verloren.

Wir haben eher eine „rechte Mehrheit“ aus AfD, FDP und CDU.

Und genau diese rechte Mehrheit hat sich bei dieser Wahl des Ministerpräsidenten formiert. Wenn er den Anschein eines Tolerierungsbündnisses vermeiden wollte, konnte er nur auf baldige Neuwahl hinsteuern, mit dem Ziel, regierungsfähige Mehrheiten zu erhalten.

Georg Doerry, Heimbach

Betroffenheitssülze!

Falls außerhalb der AfD-Kreise wenigstens noch Funken von Anstand glimmen, dann wäre jetzt nicht nur der Zeitpunkt für Neuwahlen, sondern für wirklich ernsthafte Personaldebatten anstelle von weiterem Herummanövrieren, Kungeln und Abgeben wohlüberlegt taktierender Absichtserklärungen, von denen inkompetente oder gar verlogene Betroffenheitssülze heruntertropft. Punkt.

Joachim Bögel Esslingen

Opportunismus

Die Mutter meines Kindes ist weiß. Ich bin es nicht. Ich habe in Mühlhausen (Thüringen) einige Jahre gearbeitet. Im Rahmen meiner Arbeit traf ich auf Jugendliche aus desolaten Familienverhältnissen, die im rechtsextremen Spektrum Halt fanden. Ich arbeitete mit ihnen, mochte sie, auch wenn sie so seltsame Sachen sagten wie „Gegen dich hab ich nichts.“ Es hatte etwas Beruhigendes, zu glauben, dass diese Jugendlichen eine Ausnahme waren, die Familienverhältnisse und sozialen Umstände der Nährboden für das gewaltverherrlichende und menschenfeindliche Gedankengut waren, das sie ungeniert herausposaunten. Ausnahmen, denn sie hatten nicht die sozialen und psychischen Mittel, um sich ihrer eigenen destruktiven Kräfte zu erwehren.

Opportunismus war nun das Zeichen des Tages der Wahl in Thüringen.

Ein deprimierender Tag für mich als Demokrat. Trung Hoang Le, Berlin

Keine Macht den Nazis!

Geschichte wiederholt sich nicht? Offenbar doch! Nun ist es nach 90 Jahren passiert, dass von Thüringen aus die National(sozial)isten und Faschisten hoffähig gemacht wurden. Damals war es 1930 der erste NSDAP-Landesminister in der Weimarer Republik (Minister Wilhelm Frick), der eine Regierungsbeteiligung von Adolf Hitler ausdrücklich als Experimentierfeld bezeichnete. 2020 macht sich die FDP zum Brandbeschleuniger des Faschismus und adelt die AfD unter Björn Höcke. Dessen Parteisprecher, Stefan Möller, gab unumwunden in den ARD-Hauptnachrichten am 5. Februar zu Protokoll, den ganzen Coup mit Herrn Kemmerich von der FDP eingefädelt zu haben, ein abgekartetes, übles Spiel.

Wer jetzt noch FDP wählt, macht sich zum Wegbereiter eines erneuten deutschen Faschismus und Rassismus.

Es hat auch damals klein angefangen und endete mit den Gaskammern für Millionen. Nun sind wir alle, Bürger, Wähler und allen voran die Zeitungsmacher, aufgefordert, viel stärker als bisher unsere Demokratie zu verteidigen.

Helft alle mit! Keine Macht für Nazis und ihre Steigbügelhalter!

Thomas Fronzek, Elmshorn