Musik muss stimmen

Anfang der Achtziger zog der Mann anlässlich einer Startbahn-West-Demonstration mit einigen anderen durch Frankfurt, mit 15 leeren Ölfässern, die heftig mit Knüppeln bearbeitet wurden. Ein „Höllenlärm in Frankfurts City“, wie danach eine Zeitung schlagzeilte. Unzweifelhaft aber auch: Musik.

Einige Ehrungen, ein Auswahl nur: 2003 wurde ihm der Deutsche Kritikerpreis „Musik“ verliehen. Die Stadt Frankfurt ehrte ihn 2002 mit der Goetheplakette, das Land Hessen bereits 1993 mit dem Hessischen Kulturpreis.

Jetzt muss man vielleicht sagen, dass der Mann im Lauf der Zeit mehr gemacht hat als auf Ölfässer einzuschlagen und dass Ölfassbetrommeln bei Demonstrationszügen in Deutschland gemeinhin immer noch nicht mit Kulturpreisen bedacht wird. Aber dass das in einem musikalischen Leben zusammengeht, ist ja das Interessante an Heiner Goebbels, diesem Musiker und Komponisten, der eigentlich bereits alles gemacht hat, Jazz und Rock und solche Kompositionen, die behelfsmäßig bei zeitgenössischer Musik abgeheftet werden. Vielseitigkeit allerdings ist wahrscheinlich genau das falsche Stichwort für die Arbeit von Heiner Goebbels, weil sich dahinter doch auch so ein Wahllosigkeit duckt, aus der heraus man seine Musik einfach aus den verschiedenen Angeboten zurechtzupft. Stattdessen ist im durchaus mäandrierenden musikalischen Parcours bei Heiner Goebbels tatsächlich eher eine Konsequenz zu hören: eine rigide angegangene Suche nach einer Stimmigkeit von Musik, und die Stimmigkeit muss stets neu gesucht werden, in den verschiedenen Formaten und im Lauf der Zeit, in der doch auch die außermusikalischen Bezugspunkte sich wandeln. Die gesellschaftlichen Bedingungen. Und selbst wandelt man sich schließlich auch.

Die geschichtlichen Positionen: Mit dem Sogenannten Linksradikalen Blasorchester begleitete Heiner Goebbels die Frankfurter Spontiszene. Im Duo mit Alfred Harth machte er Eisler-geschulten Jazz und mit der Band Cassiber freigeistigen Agitrock, in den Achtzigern, um dann mit seinen Hörstücken nach Heiner-Müller-Texten aufs Terrain der „Kunstmusik“ zu rutschen. Heute ist Heiner Goebbels einer der renommiertesten Musiktheaterkomponisten.

Immer wieder arbeitet er dabei mit dem Ensemble Modern, das am Freitag am Konzerthaus am Gendarmenmarkt zu hören ist. Unter anderem mit einer neuen Heiner-Goebbels-Komposition, die sich wie alle an diesem Abend aufgeführten Werke musikalisch mit vor Ort gemachten Erfahrungen in der chinesischen Metropolregion Pearl River Delta auseinandersetzt. THOMAS MAUCH

■ into Pearl River Delta: Konzerthaus, Freitag, 20 Uhr