piwik no script img

Die WahrheitVorhölle des Storytellings

Das Gewäsch der Werberfuzzis färbt schon lange auf die ach so seriöse Buchbranche ab. Jetzt sollen Geschichtenerzähler „Content-Creator“ werden.

E ine Geschichte erzählen ist meiner Ansicht nach etwas völlig anderes als „Storytelling“. Letzteres liegt seit Jahren auf meiner Liste der fiesen Modewörter ziemlich weit oben, gleich neben „Narrativ“ und „implementieren“.

Mit dem Aufruf des Begriffs stößt man auf das Archiv der Seite ­„journalistenakademie.de“. Dort könnte man einen Artikel lesen unter dem Titel „Werbung: Wie effektiv ist Storytelling?“, dass „aktuelle Studien belegen“, Werbung sei erfolgreicher, „je stärker sich der Rezipient in die dargebotene Geschichte hineingezogen fühlt.“ Ach nee.

Mit dem nächsten Text unter der Überschrift „Unternehmenskommunikation: So funktioniert Storytelling“ würde ich bestimmt ebenfalls schlauer werden. Oder wenn ich vor zwei Jahren für 1.190 Euro incl. MwSt. an einer „Frühjahrsakademie“ teilgenommen hätte. Verpasst habe ich unter anderem die Kurse „Wirkung und Einsatzmöglichkeiten von Story­telling“; „Die Heldenreise – Elemente wirksamen Storytellings“ oder „Storytelling fürs Selbstmarketing“. Ach so.

Den jüngsten Beitrag zu dem Stoff schnappte ich aus dem Börsenblatt, dem „Wochenmagazin für den deutschen Buchhandel“. Unter der Dachzeile „Ideen fürs Storytelling“ schreibt Anja Spägele von der Online-Marketing Agentur Bilandia, warum „Influencer-Marketing auch Content-Marketing ist“. O je.

Da erfahre ich, dass „Influencer in der Buchbranche wirklich mehr als reine Reichweiteninstrumente“ seien. „Sie sind genauso Content Creator wie ich.“ Und wie ich, nehme ich mal an. Neulich erinnerte mich nämlich die Marketingleiterin bei Random House daran, dass ich als Autor ein Content-Produzent bin, der eine „ganze Reihe kreativer Möglichkeiten zur Selbstdarstellung“ nutzen sollte.

Doch springen wir zurück zu Frau Spägele: Um „den neuesten Spitzentitel aus dem Meer der Neuerscheinungen am sichtbarsten in Szene zu setzen, muss man weiter in die Storytelling-Kiste greifen und kann … auf die Kreativität der Blogger, Bookstagrammer und BookTuber setzen.“

Um dies zu tun, muss man sich logisch das Wie erklären lassen und diese Fragen stellen: „Auf welcher Plattform erreiche ich meine Zielgruppe am besten?“ Oder: „Wie viele Influencer will ich für meine Aktion gewinnen?“ Ebenso wichtig ist, was „die Influencer für mich leisten“ können und was sie „als Gegenleistung“ bekommen.

Ehe ich die Punkte abarbeite, vernehme ich noch, dass Influencer „ihre Plattformen und Community bestens kennen“ und „sich durch gute Arbeit als eigene Marke etabliert haben“. Warum steht da nicht Label? Egal, ich bin dankbar, jetzt zu wissen, was für meinen nächsten Roman ansteht: „… gestalten Sie die Kampagne zusammen mit den kreativen Content-Creators unsere (sic!) Branche.“

Aber zuvor werde ich über meine nächsten Abenteuer als Content-Creator eine Geschichte erzählen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • 0G
    05158 (Profil gelöscht)

    ....."Dunkel war’s, der Mond schien helle,



    schneebedeckt die grüne Flur,



    als ein Wagen blitzeschnelle,



    langsam um die Ecke fuhr....."



    (sächsischer Volksmund)

    Das Werk setzt sich aus einer Abfolge von Oxymora, also widersprüchlichen Wortfolgen, in Kreuzreimen zusammen. Auffällig ist, dass es inhaltlicher Unfug und somit Nonsens ist.

    ..."..Diese Art der Nonsensdichtung ist zwar unlogisch, aber dennoch nicht sinnlos. Immerhin orientiert sie sich an sprachlichen Regeln und unterhält den Leser durch die unsinnigen Verbindungen in den einzelnen Verszeilen. ..."..

    Da beschäftige ich mich lieber mit der Nonsensdichtung und oute mich zur Zielgruppe des o.g. ,als ...."„Influencer in der Buchbranche wirklich mehr als reine Reichweiteninstrumente“ seien. „Sie sind genauso Content Creator wie ich.“ ...

    Hallelula!