piwik no script img

Nils Schuhmacher Hamburger SoundtrackDas Salz in der Liedersuppe

Verbote als Salz in der Suppe. Im richtigen Leben wie in der Musik. Das Verbot schränkt Song und Urheber/in ja nicht nur ein. Es weist sie auch als relevant aus. Dinge, von denen keiner Notiz nimmt, wird niemand verbieten wollen. Und Dinge, die verboten sind, sind erst richtig reizvoll. Das ist natürlich unter Marketing-Gesichtspunkten interessant. Und so existieren heute ganze Genres, die sich der Auslotung der Grenzen zwischen geschmacklicher und gesetzlicher Überschreitung widmen und um öffentliche Aufmerksamkeit buhlen.

Die Protagonisten rufen „Fuck you bitch“ und Ähnliches. Wenn es eng wird, biegen sie aber schnell ab ins Reich der Kunstfreiheit, deren Bewohner sie angeblich sind, und meinen alles nicht so. Sie spielen ihr Spiel mit dem Verbietbaren, dessen Schönheitsfehler jedoch darin besteht, dass zumindest hierzulande so richtig viel nicht mehr verboten wird (und ihre Inhalte zudem auch gut in unsere Zeit der neoliberalen Stammesbildung passen).

Das Höchste der Gefühle ist die mit Jugendschutz begründete Einschränkung der Verbreitung. Diese schlaffe Auszeichnung beeindruckt aber niemanden. Oder haben Blumfeld ihr Album von 2006 etwa „Indizierte Früchte“ genannt?

Nun muss man wissen, dass die Welt sich nicht um Deutschland dreht, dass gerade politisch unbequeme Beiträge weiterhin zum Gegenstand von kontrollierenden Eingriffen werden und dass dabei die Grenzen zwischen Verbot, Indizierung und vorauseilendem Gehorsam oft verschwimmen. Diese Stränge hat der norwegische Singer/Songwriter Moddi (11. 2., Nochtspeicher) 2016 aufgenommen. Sein Album mit dem schönen Titel „Unsongs“ versammelt zwölf Lieder aus unterschiedlichen Zeiten und Ländern, deren gemeinsames Element ist, dass sie aus politischen Gründen der Öffentlichkeit entzogen wurden.

Moddi landet dabei etwa in China, den USA, dem arabischen Raum und Israel und dokumentiert die stilistische und thematische Bandbreite stummgeschalteter Musik, die sich dann doch ihren Weg in die Öffentlichkeit gebahnt hat. Wer die Originale schon kennt (oder die eigenen Lieder von Moddi weniger gut findet): Ein dazugehöriges Buch mit den Geschichten hinter den Songs ist vergangenes Jahr unterm etwas weniger anspielungsreichen Titel „Verbotene Lieder“ bei Edition Nautilus erschienen (240 S., 20 Euro).

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen