Putsch der Elite

von DOMINIC JOHNSON

Ratlosigkeit und Zurückhaltung haben gestern die internationalen Reaktionen auf den Militärputsch in Mauretanien vom Vortag bestimmt. Der Sturz des Präsidenten Maaouiya Ould Taya, eines der engsten Freunde der USA im arabischen Raum, durch seine eigene Garde und die Einsetzung einer Militärjunta wurden zwar allgemein verurteilt, aber niemand beeilt sich, aktive Schritte gegen die Putschisten zu unternehmen. Das hat einen Grund: Die neuen Herren gleichen den alten wie ein Ei dem anderen.

Als Führer des neuen „Militärrats für Gerechtigkeit und Demokratie“ nannten die Putschisten am Mittwochabend den langjährigen bisherigen Polizei- und Geheimdienstchef, Oberst Ely Ould Mohammed Vall (siehe Text unten). 15 der 16 anderen Juntamitglieder tragen Mauretaniens höchsten militärischen Rang des Oberst. Der Kommandeur der Präsidialgarde sitzt ebenso darin wie der stellvertretende Generalstabschef. Dessen Chef sowie einige andere hohe Militärs wurden abgesetzt und festgenommen. Zivile Mitglieder der bisherigen Regierung blieben unbehelligt.

Dass der Putsch keine Opfer forderte und gestern die Lage in der mauretanischen Hauptstadt Nouakchott wieder völlig normal war, spricht dafür, dass kaum jemand in Mauretanien dem gestürzten Präsidenten Taya eine Träne nachweint. Dennoch will unter Tayas Gegnern angesichts der Kontinuität zwischen Alt und Neu keine rechte Freude aufkommen.

„Die Armee hat ihre patriotische Pflicht getan“, erklärte die sozialdemokratische Oppositionspartei Sawab, „aber die Aufgabe, um die es jetzt geht, kann nicht die der Armee allein sein.“ Mauretaniens wichtigstes Oppositionsbündnis UFP (Union der Kräfte des Fortschritts) hat den Putsch weder begrüßt noch verurteilt, sondern verlangte „die Bildung einer repräsentativen Übergangsregierung der Nationalen Einheit“. Radikale Exilgruppen forderten die Freilassung politischer Gefangener und eine Wahrheitskommission für Mauretanien.

All das stößt bisher weder bei Mauretaniens neuer Regierung noch im Ausland auf ein Echo. Neben der Zusicherung, nach zwei Jahren eine Demokratie einführen zu wollen, gaben die Putschisten bislang keine weiteren Erklärungen ab.

Im Ausland ist die größte Sorge, dass jede Instabilität in Mauretanien radikalen Islamisten nützen könnte, die erst im Juni aus Algerien einen bewaffneten Angriff auf das Land unternahmen. Bei den drei gescheiterten Putschversuchen der letzten zwei Jahre in Mauretanien hatte Taya seinen Gegnern immer unterstellt, mit diesen Islamisten und damit al-Qaida unter einer Decke zu stecken.

Dass die Putschisten diesmal aus dem engsten Machtzirkel selbst kommen, ist international eher Anlass für Erleichterung. Forderungen nach Wiederherstellung der anerkannten Regierung rücken dahinter an zweite Stelle, Wünsche nach demokratischen Reformen noch weiter nach hinten.

Das US-Außenministerium rief zu einer „friedlichen Rückkehr zur Ordnung und der etablierten Regierung“ auf, was eine Militärintervention auszuschließen scheint. Noch wohlwollender äußerten sich die Europäer. Frankreich, dem der neue Herrscher Oberst Vall besonders nahe steht, verlangte lediglich die Aufrechterhaltung des „institutionellen Rahmens“ in Mauretanien, während Großbritannien stellvertretend für die EU „alle Seiten“ zum „Respekt der Demokratie, der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit“ aufrief. Die Arabische Liga schwieg. Während die Afrikanische Union den Putsch „total“ verurteilte, äußerte sich keine einzige afrikanische Regierung außer der der Elfenbeinküste, deren von Rebellen bedrängter Präsident Laurent Gbagbo sich in einer Front mit dem gestürzten Taya gegen regionale Destabilisierer wähnt. Der suchte derweil ein seiner Heimat näheres Exilland, nachdem er zunächst in Niger Zuflucht gefunden hatte.