heute in hamburg
: „Schmutz ist Materie am falschen Ort“

Vortrag „Sind wir noch ganz sauber?“: 16 Uhr, Verbraucherzentrale Hamburg, Kirchenallee 22, Eintritt frei

Interview Michelle Bauermeister

taz: Herr Jorde, was bedeutet sauber?

Tristan Jorde: Das ist sehr individuell definiert. Was die einen als sauber empfinden, halten die anderen für schmutzig und umgekehrt. Es gibt eine Einstellung, so wenig Schmutz wie möglich um uns haben zu wollen, sodass wir möglichst nicht davon erkranken. Auch die Definition von Schmutz ist allgemein gefasst. Schmutz ist Materie am falschen Ort.

Welche Maßnahmen gegen umweltschädliche Auswirkungen von Reinigungsmitteln gibt es?

Sehr wenige. Man kann sich an den Umweltzeichen wie dem Blauen Engel orientieren. Sie zertifizieren sogenannte sanfte Reinigungsmittel, die im Allgemeinen verträglicher sind. Ansonsten läuft der gesellschaftliche Trend in die Gegenrichtung. Es wird nach einer „Ultrasauberkeit“ geforscht, die etwas Imaginäres ist. Werbeversprechen wie „hundert Prozent bakterienfrei“ sind reines Marketing-Sprech. Es wird aber suggeriert, dass das anzustreben ist. Und das hat sich bei einem Teil der Bevölkerung als Qualitätskriterium zur Grenze an der Manie entwickelt.

Welche Ursachen könnte dieses Fetischisieren des Putzens haben?

Foto: Karin Gerdes

Tristan Jorde,53, ist Schauspieler, Umweltberater und Leiter des Bereichs Umwelt und Produktsicherheit bei der Verbraucherzentrale Hamburg.

Es ist ein Verdrängen des Schmutzes, das trifft es eher. Man kann feststellen, dass die Gesellschaften, die sich als sauber definieren, viel Schmutz an anderer Stelle produzieren, wie Kläranlagen und Deponien. Das bedeutet, das was im engsten Bereich als „hochsauber“ definiert ist, führt andererseits zu starken Verschmutzungen. Es ist ein Wohlstandsversprechen. Je sauberer man ist, desto höher ist man auf der gesellschaftlichen Werteskala verankert.

Was versteht man unter „umweltbewusst reinigen“ und ist das überhaupt möglich?

Ja, das ist möglich. Ich plädiere dafür, im Putzbereich abzurüsten. Man sollte das eigene Sauberkeits- und Schmutzniveau hinterfragen. Man kommt schon mit den alten Hausmitteln relativ weit – alkalische Mittel wie Speisesoda. Das Wundermittel, das jeden Schmutz auf Knopfdruck und binnen Sekunden verschwinden lässt, gibt es nur in der Werbung. Die hundertprozentige Sauberkeit ist eine Chimäre.