wortwechsel
: Wie wollen wir sterben – was wollen wir spenden?

Organspende: Morgen findet die parlamentarische Abstimmung zur Gesetzesänderung (Zustimmungs- oder Widerspruchslösung) statt. taz LeserInnen argumentieren differenziert

Eine „Organtransportbox“ wird der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) übergeben Foto: Jens Kalaene/dpa

„Spenden im Tod geht nicht“,

taz vom 9. 1. 20

Kritische Aufklärung

Herzlichen Dank für diesen kritischen Artikel. Nicht nur rechtlich ist der von Jens Spahn eingebrachte Antrag zur Gesetzesänderung (Widerspruchslösung) zu hinterfragen. Das seelische Leid, das im Nachhinein entstehen kann, wenn bewusst wird, dass man seinen Angehörigen im Sterben alleingelassen und einem Geschehen überlassen hat, von dem wir gar nicht genau wissen können, welches Empfinden und welche Schmerzen es der/dem Sterbenden abverlangt haben könnte. Hirntod ist nicht gleich Tod, sondern ein juristischer Begriff. Ein sterbender Mensch ist keine Leiche, wie sollte er sonst auch frische, lebende Organe besitzen? Die Initiative KAO e. V. (Kritische Aufklärung über Organtransplantation e. V.) wurde von betroffenen Angehörigen gegründet und beschäftigt sich seit Langem intensiv mit dem Thema. Auf deren Homepage kann man sich mit den dort eingestellten Videos und anderen kritischen Informationen zu diesem Thema beschäftigen. Seitdem ich dies getan habe, trage ich einen Nicht-Organspende-Ausweis bei mir, und ich bin dankbar für die Informationslücke, die dadurch gefüllt wurde. Man kann sich auch dafür entscheiden, keine Frage, aber man sollte umfassend und objektiv informiert sein. Warum wird die kritische Seite zu diesem wichtigen Thema so wenig beleuchtet, auch in der taz? Bitte mehr dazu!

Ute George, Weimar

Geschmacklose Anträge

alternativantrag: der gehirntote wird gefragt, wenn er nicht verneint, darf er ausgenommen werden. die spenden der organe können anschließend steuerlich vom gehirntoten abgesetzt werden. ist das wirklich geschmackloser als einige der auf dem tisch liegenden anträge?

Uwe Fischer, Berlin

Geben und nehmen

Bei allen Diskussionen fehlt mir eine Betrachtungsweise, die aus meiner Sicht erhebliches Potenzial für eine sehr faire und reife Lösung hat: Alle Minderjährigen und/oder beschränkt oder gar nicht geschäftsfähigen Personen kommen automatisch als Empfänger für eine Organspende infrage. Ebenso alle die, die aus gesundheitlichen oder anderen unveränderbaren Gründen nicht als Spender geeignet sind. Für alle anderen, das heißt alle volljährigen und uneingeschränkt geschäftsfähigen Personen, gilt: Als Empfänger für eine Organspende kommen nur die infrage, die verbindlich ihre Bereitschaft für eine Organspende erklärt haben. Wer einer Spende widersprochen oder sich nicht geäußert hat, bekommt auch im Bedarfsfall kein Spenderorgan. Klingt vielleicht hart, ist aber nur zutiefst gerecht. Während in Sachen Klima heutzutage leider jeder noch ungestraft rumsauen kann, kämen hier Konsequenz und Verantwortung ins Spiel. Der große Aufschrei wäre: „Was, da müssen die Leute ja Verantwortung für sich übernehmen!“ Albrecht Wilckens, Ludwigsburg

Klare Entscheidung

Ich möchte auf zwei Aspekte hinweisen, die in der Organspende-Diskussion bisher fast nicht auftauchen. Wie viele Organspenden scheitern daran, dass der (mutmaßliche) Wille des hirntoten Menschen nicht bekannt ist, weil es keinen Organspendeausweis gibt und weil gleichzeitig die Angehörigen keine Auskunft zum mutmaßlichen Willen geben können? Nur in diesem Fall würde die doppelte Widerspruchslösung etwas ändern. Und genau zu dieser Konstellation habe ich in der ganzen Diskussion noch keine Zahlen gelesen. In den anderen Fällen, wo der Wille bekannt ist, bleibt ja alles, wie es jetzt auch schon ist. Ich selbst habe einen Organspendeausweis und werde voraussichtlich selbst eine Organ- oder Gewebespende benötigen (auch wenn es bei mir keine Frage von Leben und Tod ist und insofern „auf hohem Niveau“). Wenn ich daran denke, eine Spende zu bekommen, fühle ich quasi schon im Vorhinein eine große Dankbarkeit, dass mir jemand etwas von sich spendet, was mein Leben sehr, sehr viel besser macht. Wenn ich aber daran denke, dass der Mensch sich vielleicht gar nicht dafür entschieden hat, dann möchte ich lieber länger warten. Ich möchte eine „Ja!“-Spende und keine „Oh scheiße, ich habe mich nie damit befasst, eigentlich vielleicht eher nicht, und jetzt bin ich auf einmal tot!“ Spende.

Name ist der Redaktion bekannt

„Es geht um Leben und Tod“,

taz vom 14. 1. 20

Solidarität?

Ist nicht auch der Rückgang der Verkehrstoten (1991 circa 11.300 Verkehrstote, 2019 circa 3.000 Verkehrstote) eine Ursache für die Entwicklung der Zahlen für die Organspenden? Wird demnächst die zweite Frage bei Aufnahme in ein Krankenhaus eines über 60-jährigen Menschen lauten: Sind Sie kein Organspender? (Die erste lautet heute schon: Haben Sie eine Patientenverfügung?) Es ergibt sich für mich als Arzt die Frage, inwieweit die dann folgenden Behandlungsinitiativen durch die Antwort auf diese Fragen beeinflusst werden. Als unsolidarisch angesehen gilt heute schon, wer krank lange leben will, auch über den Tod hinaus wird hier Solidarität gefordert. Wem gehört der Leichnam? Spannende Fragen hat der von Zahlen getriebene Gesundheitsminister außer Acht gelassen.

Franz Scharte, Harsewinkel

Ein Incentive-Modell?

Ich bin für ein Incentive-Modell: Wer sich als Spender registrieren lässt, wird bevorzugt, wenn er selbst ein Ersatzteil benötigt. Thomas Friedrich auf taz.de

Widerspruch?

Wir brauchen Hintergrundwissen. Vor nicht allzu langer Zeit gab es um den privatisierten Handel mit Organen Skandale, die „rückhaltlos“ aufgeklärt werden sollten. Statt Aufklärung nun ein Gesetz und passenderweise genau dieses, weil mit der Bequemlichkeit der Menschen, dem zu widersprechen, gerechnet wird.

Christiane Zurmühl, Hohen Neuendorf