Die Meisterschale glänzt noch

Pünktlich zum Start der neuen Saison wandert die Meisterschale der Werderaner wieder an die Weser: Eine perfekte Kopie, wie sie sonst niemand hat. Ein Geschenk des Senates für 40.000 Euro. Und eine Subvention für eine alte Bremer Silberschmiede

Bremen taz ■ Ob er Werderfan sei? Stefan Sieben lacht. „Ich stehe dem Fußball neutral gegenüber.“ Sagt’s und schlurft zurück in die Neustädter Werkstatt der Silberschmiede Koch & Bergfeld. Unter dem Arm: die Meisterschale der Werderaner.

Eine Kopie. Auftraggeber: der Bremer Senat. Kostenpunkt: 40.000 Euro. Ein Steuergeschenk aus der Senatskanzlei, lässt Bürgermeister Henning Scherf (SPD) verlauten – für das Werder-Museum. „Als Anerkennung für die herausragende Leistung des Vereins.“ Ein Geschenk „für den wohl wichtigsten Werbeträger der Stadt“, im Taumel der Meisterfeier am 16. Mai 2004 von Scherf persönlich zugesagt, wie er stolz verkünden ließ.

Artikelnummer 15.953 ist das perfekte Double jener Schale, die in der vorletzten Saison der Fußball-Bundesliga für ein Jahr nach Bremen wanderte. „Deutscher Meister“ steht darauf geschrieben, in goldenen Lettern. „Da sieht man keinen Unterschied zum Original.“ Sieben muss es wissen. Zusammen mit seinen neun Kollegen hat er ein dreiviertel Jahr an dieser Schale gearbeitet, nach der Originalvorlage, versteht sich. Die Zahl der Arbeitsstunden gehe „in die Tausende“.

Alle deutschen Fußballmeister haben eine Kopie der Schale in ihrem Vereinsheim stehen. Denn das Original von 1949, mehr als neun Kilo schwer, wandert von Jahr zu Jahr weiter. Oder bleibt in München. „Aber nicht jede Kopie hat diese Qualität“, schwärmt Florian Blume, Geschäftsführer bei Koch & Bergfeld. Der Silberschmied schüttelt sich bei dem Gedanken an ein Modell aus bloßem Zinn, ganz ohne das goldummantelte 925er Sterling Silber, ganz ohne die 21 eingearbeiteten Turmaline, diese grün funkelnden Edelsteine aus Brasilien. Kein anderer Klub in Deutschland kann wohl eine solch aufwändige Kopie sein eigen nennen. „Anfragen aus München sind leider noch nicht eingegangen“, bedauert Blume.

Aber Gelsenkirchen hat sie schon: Schalke hat sich vor drei Jahren eine Replik seines DFB-Pokals anfertigen lassen – in Bremen, ausgerechnet. Das Foto von damals hängt noch in der Werkstatt. Bremen darf sich da nicht lumpen lassen, schließlich haben die Werderaner anno 2004 nicht nur die Meisterschale, sondern auch den DFB-Pokal an die Weser geholt. Und so bekommt das Museum bald seine eigene Replik vom Pokal – nach den Schalker Plänen gefertigt.

„Den schenken wir uns aber selbst“, versichert man bei Werder. Noch steht die Trophäe im Tresorraum von Koch & Bergfeld, halbfertig, in mattem Silber, zwischen barocken Kerzenleuchtern, schlichten Tellern und minimalistischen Vasen. Und nur für Insider ist der silberne Kelch schon als DFB-Pokal zu identifizieren. Was er kostet? „Keine Angaben.“ Der Verein hüllt sich in Schweigen.

Sicher ist nur eines: Die beiden Aufträge garantieren den Fortbestand einer Silberschmiede, die schon seit 1829 in der gründerzeitlichen Fabrik am Rande der Neustadt residiert. Zu Kaisers Zeiten haben hier 800 Menschen gearbeitet, auch Fabergé-Eier sind damals hier entstanden. Heute erstreckt sich das Sortiment eher auf luxuriöse Alltagsgegenstände, rund 100 Unikate verlassen pro Jahr die Fabrik. Das Handwerkszeug aus der Gründerzeit ist hier noch immer in Gebrauch, klobige gusseiserne Maschinen, wie aus einem Museum für Industriekultur. An der Wand: Vergilbte Fotografien ehemaliger Mitarbeiter, die schon 50 Jahre dabei waren. 1954 war das. Vor Jahresfrist allerdings sollte Koch & Bergfeld dicht gemacht werden vom damaligen Besitzer Villeroy & Boch. Die verbliebenen zehn Silberschmiede wollen jetzt in eigener Regie weiter machen, mit Unterstützung der Senatsgelder. Eine Subvention? „Das können Sie so sehen“, sagt der stellvertretende Senatssprecher Markus Beyer.

Nebenbei sichert die Schale auch den Einzug Bremens in die Champions League. Denn der Pokal der Europäischen Fußball-Union UEFA kommt ebenfalls aus der Bremer Neustadt. Gerade eben kam ein Auftrag via Liverpool – der FC hat die Champions League gerade zum fünften Mal gewonnen. Und darf ihn jetzt behalten. Jan Zier