Vom Hipster zum Doyen

FOLK Urgesteine auf der Straße: Geoff Muldaur und Jim Kweskin haben schon das erste Folk-Revival mitgeprägt. Zum Establishment gehören sie auch heute noch nicht

Der amerikanische Folk-Sänger Barry McGuire landete 1965 mit dem apokalyptischen „Eve Of Destruction“ seinen einzigen Top-10-Hit, nachdem die Byrds das Stück von Songwriter P. F. Sloan abgelehnt hatten. Nun ist McGuire mit dem Ex-Byrds-Bassisten John York auf „Trippin‘ The Sixties“-Tournee. York war von 1968 bis 1969 Mitglied der Band und spielt auf den Alben „Dr. Byrds & Mr. Hyde“ und „Ballad Of Easy Rider“. Zu hören gibt es neben Songs von The Byrds, Lovin‘ Spoonful, Tim Hardin, Janis Joplin und anderen auch Anekdoten aus den wilden Sechzigern.

Samstag, 10.10., 20 Uhr, Nachbarschaftshaus Helene Kaisen

VON ANDREAS SCHNELL

Der neue Folk, der in New York als Anti-Folk, anderswo als Freak- oder Weird-Folk auf alten Gitarren eine neue Ästhetik aufbaute, ist wohl weniger eine Neuformulierung des „echten“ Folk als ein Rekurs auf das erste Folk-Revival der fünfziger und sechziger Jahre, als in den Metropolen vor allem der amerikanischen Popkultur die Musik von Künstlern wie Woody Guthrie, Burl Ives, der Carter Family, Leadbelly oder Robert Johnson von einer neuen Generation entdeckt wurde, die sich in den Boheme-Cafes des New Yorker Greenwich Village, von North Beach in San Francisco oder anderen Universitätsstädten traf. Häufig politisch inspiriert, wurden Musiker wie Bob Dylan oder Joan Baez zu Stimmen einer neuen Generation ausgerufen, der Protest-Song als Genre entstand und erlebte seinen kommerziellen Höhepunkt mit Barry McGuires „Eve Of Destruction“, mit dem es übrigens dieser Tage ein Wiederhören in Bremen gibt (siehe Kasten). Ende der Sechziger schließlich führten Bands wie die Byrds und Bob Dylan die traditionellen bzw. traditionalistischen Weisen mit den Errungenschaften des Rock zusammen und prägten damit die populäre Musik der folgenden Jahre nachhaltig.

Aber zurück auf Null: In den frühen sechziger Jahren gründete sich in Cambridge, Massachusetts, bekannt als Sitz der Harvard University und des Massachusetts Institute Of Technology sowie Standort einer rührigen studentischen Folk-Gemeinde, auch die Jim Kweskin Jug Band, zu der neben Kweskin auch Geoff Muldaur, Bill Keith (aufstrebender Banjo-Zauberer), Mel Lyman, John „Fritz“ Richmond, Richard Greene und Maria D‘Amato (bald schon Maria Muldaur) gehörten.

Mit einem archaischen Instrumentarium aus Gitarre, Banjo, Geige, Kazoo und dem Instrument, dem so eine Jug Band ihren Namen verdankt: ein aus einem Krug gefertigtes Bass-Instrument, das geblasen wird, widmete sich die Band mit anarchischem Humor dem ländlichen Repertoire aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, um sich kurz vor dem kommerziellen Durchbruch aufzulösen.

Maria Muldaur begann danach erfolgreich als Solistin aufzutreten, nahm zusammen mit ihrem Gatten Geoff einige Duo-Alben auf, der Rest der Formation gründete neue Bands, Mel Lyman machte allerdings lieber eine Sekte auf. Kweskin wollte beides, trat Lymans Kommune bei, spielte einige Jahre lang solo und gründete schließlich die U & I Band. Muldaur zog sich Anfang der achtziger Jahre von der Bühne zurück, arbeitete als Geschäftsführer von Hannibal Records und Software-Programmierer und schrieb Musik für Dokumentarfilme und Werbespots.

Erst gegen Ende der Achtziger kehrte er auf die Bühne zurück, auch wenn ihm der große Erfolg nach wie vor versagt blieb. Vor allem Kritiker und Kollegen waren es, die seine Kunst zu schätzen wussten. So sagte Richard Thompson, als Gitarrist von Fairport Convention wesentlich am britischen Folk-Revival der sechziger Jahre beteiligt, einmal über Muldaur: „Es gibt nur drei weiße Bluessänger. Geoff Muldaur steht für mindestens zwei von ihnen.“

Ein trauriger Anlass brachte Muldaur und Kweskin dann vor einigen Jahren wieder zusammen: Weil der inzwischen verstorbene Musiker und gemeinsame Freund Stephen Bruton an Krebs erkrankt war, wollten Muldaur und sein Produzent Roger Kasle ein positives Signal setzen und riefen die Band Texas Sheiks ins Leben. Unterstützt von einer illustren Mannschaft, zu der auch Kweskin gehört, nahmen sie das Album „Geoff Muldaur And The Texas Sheiks“ auf (erschienen bei Tradition & Moderne), das ein hinreißend knarzig inszeniertes Repertoire zwischen Blues, Ragtime, Country und anderen archaischen Stilen präsentiert.

Vieles davon wird gewiss auch zu hören sein, wenn diese Altmeister der Roots-Musik dieser Tage auf norddeutschen Bühnen stehen.

■ Montag, 21 Uhr, Moments; Mittwoch, 20 Uhr, Rathaus Stuhr; Donnerstag, 20 Uhr, Thieles Garten, Bremerhaven; Freitag, 20.30 Uhr, Jazzclub am Lindener Berge, Hannover; Samstag, 20 Uhr, Müggenkrug, Oldenburg