wortwechsel
: Mein Freund*,die Umweltkatastrophe

Margarete Moulin schrieb über den Tabubruch, die eigenen Freunde zu kritisieren – in ihrem Konsumverhalten. Viele taz-LeserInnen stecken im gleichen Dilemma und suchen Lösungen

Da haben wir den Salat! Werden wir es schaffen, den täglichen Plastikwahnsinn zu stoppen? Foto: imago

„Mut und Feigheit vor dem Freund“,

taz vom 4. 1. 20

Meine Traurigkeit

Als feige Umweltsau-Oma (ich fahre Pedelec, nicht SUV) versuche ich, meinen riesigen ökologischen Fußabdruck zu verkleinern und auch mein Umfeld zu motivieren. Ich stehe dabei zwischen den Alternativen, depressiv, verbittert und moralinsauer zu sein und mir Freundschaften zu verderben und der Verdrängung – mit dem Gedanken, dass ich sowieso nichts ändern kann. Ich spreche niemanden mehr auf sein umweltschädliches Verhalten an, weil es nichts bringt. Stattdessen spreche ich von meiner Traurigkeit und Sorge um die Zukunft meiner Enkel und weshalb ich dies tue und jenes unterlasse. Eine autofixierte Freundin hat sich im letzten Jahr eine Jahreskarte für den öffentlichen Nahverkehr gekauft. Das ist ein kleiner Erfolg, verringert aber nicht meine Zukunftsangst.

Imme Storsberg, Ulm

Wir sind zu viele!

„Wow! Welchen stillen Konsens habe ich da gebrochen?“ Den Konsens, dass Freiheit nichts anderes ist als willkürliche Beliebigkeit. Die ständigen „Wohlstands(!)“-Versprechungen und die Rundumversorgung haben die Menschen dazu erzogen, dass sie sich um nichts anderes kümmern müssen als um das, was ihnen gefällt. Eine Meinungsfreiheit, die das hinterfragt, führt zur Ausgrenzung, wie bei Alexis de Tocqueville: „Du hast die Freiheit, nicht zu denken wie ich. Leben, Vermögen und alles bleibt dir erhalten, aber von dem Tage an bist du ein Fremder unter uns.“ Margarete Moulins Charakterisierung der „hartnäckigen Abblocker“ trifft genau den Punkt. „Nicht jene, die streiten, sind zu fürchten, sondern jene, die ausweichen“, schrieb Marie von Ebner-Eschenbach. Und das gilt auch für die, die vor dem anderen, von David Attenborough so zutreffend beschriebenen, Tabu ausweichen (Margarete Moulin leider auch): „There is no major problem facing our planet that would not be easier to solve if there were fewer people; and no problem that does not become harder – and ultimately impossible to solve – with ever more.“ Leider gibt es hierzulande nur wenige, die eine offene Stellungnahme dazu wagen. Übrigens: Als ich geboren wurde, lebten 2.172.673.598 Menschen auf der Erde. Heute hat allein Deutschland so viele Einwohner, dass nicht einmal alle ohne schwerste Schäden an Natur und Landschaft mit sauberer Energie versorgt werden können.

Dietrich Schwägerl, Ottobrunn

Mut zum Widerspruch

Vor der Herausforderung, die Margarete Moulin beschreibt, stehe ich auch schon seit Längerem und immer wieder. Ich spreche meine Freund_innen nur ganz selten auf ihre Umweltsünden an, erstens weil es mir unangenehm ist, so besserwisserisch aufzutreten, und zweitens, weil ich mir die Freundschaft nicht verscherzen möchte. Doch ist es manchmal schwer für mich zu ertragen, mit anzuhören, wie nur auf das persönliche Wohlbefinden bedacht, mehrere Flugreisen im Jahr geplant werden, auch zu Orten, die man noch schnell besuchen muss, bevor der Klimawandel sie unbesuchbar macht. Der Artikel, aber auch die durch FFF in Gang gesetzte allgemeine Diskussionskultur über Klimaschutz gibt mir Mut, doch öfter mal den Mund aufzumachen. Und sei es nur, um genauer darzulegen, wie viele tolle, naturschöne Orte ich bei meinen Bahn- und Fahrradreisen durch Europa besucht habe und dass mein Glücksniveau nicht darunter leidet, dass ich nicht mit dem Wohnmobil einmal quer durch Kanada fahre. Heike Müller, Biesenthal

Raus aus der Pubertät

Wie der einzelne Mensch verschiedene Entwicklungsphasen im Leben durchmacht, macht das die Menschheit im Ganzen auch. Die Menschheit befindet sich heute noch in der Pubertät und diese läuft nicht für alle Regionen und Kulturen gleichzeitig ab, aber nacheinander. Ich hätte nie gedacht, dass ich es erleben werde, dass das Ökosystem der Erde so stark geschädigt wird. Ein bedeutender Teil der nachwachsenden Generation weltweit ist da schon weiter (FFF). Vielleicht wird die Menschheit ja doch noch erwachsen. Karlheinz Jahraus, Westheim

Wie bescheuert …

Ein Freund erzählt, dass er für drei Tage nach Manchester geflogen ist, was man selber nie machen würde. Man denkt sich: wie bescheuert. Sagt es aber nicht. Man sagt es deshalb nicht, weil jeder kein Öko-Engel ist und man immer das Gefühl hat, dass jeder seine eigene Moral und seine eigenen Ökoprinzipien hat. Aber auch ich bin mittlerweile an einem Punkt angekommen, wo ich mir denke: lieber öfter mal unbeliebt machen, es steht zu viel auf dem Spiel und vielleicht hilft’s ja. Wenn den einen das Klima egal ist, während die anderen bewusst verzichten, sollen die Ignoranten auch wissen, dass das dumm und ungerecht ist. Leider entzweit es die Gesellschaft noch mehr.

Claudia Mucha, Wolfsburg

Randale im Stammhirn

Aus psychologischer Sicht muss man wohl ergänzen, dass es unserer Großhirnrinde, Ergebnis langer Evolution, wohl doch nicht ganz gelingt, tiefer liegende Stammhirnreflexe in Grenzen zu halten. Sich selbst der Nächste sein, sich sorgen um Nahrung, Sicherheit, Dach über dem Kopf, nur nahe Räume überblicken zu können, auch zeitlich, sich an Gewohntem zu orientieren (was in ungewohnter Ökokrise nicht funktioniert), bei einer guten Tat schon das Gewissen beruhigt zu sehen, sich darüber ärgern, wie wenig andere machen und dann selbst wieder nachlässig zu werden – all das und noch viel mehr kann einen Großteil des widersprüchlichen Verhaltens vieler Menschen erklären. Die Engagierten müssen aufpassen, nicht in einem Engagements-Burnout zu landen und auch für sich sorgen, die Endlichkeit vieler Dinge (auch die von Kulturen und Arten, wie der Mensch auch eine ist) hinnehmen wie die eigene Endlichkeit – und mit gut dosierter Energie trotzdem aktiv bleiben!

Andreas Meißner, München