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Feindliche Allianzen

Jeffrey Herf hat eine äußerst verdienstvolle Studie über die Aufrüstung der arabischen Feinde Israels durch die DDR und die Kooperationen der westdeutschen Linken vorgelegt

Von Stephan Grigat

Seit Anfang der 1990er Jahre hat ein Wandel in der antizionistischen Agitation stattgefunden: Während in den Jahrzehnten des Kalten Krieges ein antiimperialistischer „Befreiungsnationalismus“ der zentrale Bezugspunkt war, hat sich in den letzten drei Dekaden ein abstrakter Antinationalismus und geschichtsloser Universalismus zur maßgeblichen Legitimation des Antizionismus gemausert. Die Nazis unterstellten den Juden noch, sie seien zur Gründung eines „echten“ Staates gar nicht in der Lage.Der maßgebliche Text des Nationalsozialismus zum Zionismus stammt von Hitlers Chefphilosoph Alfred Rosenberg, der das jüdische Staatsgründungsprojekt als „staatsfeindlich“ qualifizierte.

Auch der „Führer“ selbst attestierte den Juden, sie seien „mangels eigener produktiver Fähigkeiten“ zu einem „Staatsbau räumlich empfundener Art“ gar nicht in der Lage. Das fand seinen Nachhall in den 1970er Jahren im linken Gerede von Israel als „künstlichem Gebilde“, bei dem sich schon immer die Frage aufdrängte, ob andere Staaten denn am Baum gewachsen sind.

Heute jedoch werfen Antizionisten den israelischen Juden vor, sie würden starrsinnig an ihrem Staat und ihrer Nation festhalten, obwohl das Konzept der Nationalstaatlichkeit historisch doch längst obsolet sei: Der Zionismus sei als Nationalismus heute nur mehr ein „Anachronismus“, wie Tony Judt es zu Zeiten der zweiten Intifada für die globale Linke ausbuchstabiert hat. Doch trotz dieses Wandels wurden die Grundlagen für die gegenwärtige Agitation im Kalten Krieg gelegt.

Der US-amerikanische Historiker Jeffrey Herf zeigt in seiner seit 2016 auf Englisch vorliegenden und nun auf Deutsch erschienenen Studie zum Verhältnis der DDR und der westdeutschen radikalen Linken zum jüdischen Staat, dass die Indienstnahme einer Rhetorik der Menschenrechte im Krieg gegen Israel insbesondere im ostdeutschen, seinem Selbstverständnis nach „ersten antifaschistischen Staat auf deutschem Boden“ perfektioniert wurde. Der Geschichtsprofessor an der University of Maryland zeigt, wie durch die Punzierung des jüdischen Staates als Nachfolger Nazideutschlands in den Verrenkungen des Ostblockmarxismus und des westdeutschen linken Antizionismus die Angriffe auf Israel in die Tradition des Antifaschismus gehoben wurden. Mit ihrer antiisraelischen Propaganda haben die linken Antizionisten der 1970er und 80er Jahre „ein toxisches ideologisches Gebräu“ hinterlassen, das bis heute seine Schatten auf die politischen Debatten werfe.

Als Grund für die antizionistische Orientierung der DDR-Führung sieht er eine Mischung aus ideologischer Überzeugung und nationalem Interesse: Die antiisraelische Politik stand nicht nur in Übereinstimmung mit der Legitimationsideologie des Marxismus-Leninismus, sondern spielte auch eine entscheidende Rolle in der DDR-Außenpolitik: Die Unterstützung der Feinde Israels ermöglichte es Ostberlin, sich aus der internationalen Isolation zu befreien und mit Hilfe der arabischen und zahlreicher afrikanischer Staaten zum anerkannten UN-Mitglied zu werden, als das es sich sogleich vehement für die 1975 verabschiedete UN-Resolution zur Gleichsetzung von Zionismus und Rassismus einsetzte.

Ein besonderes Verdienst von Herfs Studie ist die ausführliche Darstellung der Versuche von israelischen Gesandten vor den Vereinten Nationen und von jüdischen Gemeindefunktionären in Westdeutschland, vor den Gefahren des linken Antizionismus und der Kooperation der Ostblockstaaten mit arabischen Antisemiten zu warnen.

Jeffrey Herf: „Unerklärte Kriege gegen Israel“. Wallstein Verlag, Göttingen 2019, 518 Seiten, 39 Euro

Heinz Galinski, der langjährige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Berlin und eine der deutlichsten Stimmen in dieser Hinsicht, war jedoch nicht nur mit der antizionistischen Propaganda der radikalen Linken und der DDR konfrontiert, sondern auch mit der Regierung Willy Brandts, deren skandalöse Postulierung einer „neutralen Haltung“ im für Israel existenzbedrohenden Jom-Kippur-Krieg und deren massive Behinderung dringend benötigter US-amerikanischer Waffenlieferungen an Israel über deutsche Häfen Herf ebenfalls in seine Darstellung einbezieht.

Vernichtungsfantasien

Ausgehend von bereits vorliegenden Arbeiten zeichnet Herf die Kooperation der militanten Linken der BRD mit der PFLP und anderen bewaffneten palästinensischen Organisationen nach. Sein Schwerpunkt liegt aber bei der Aufarbeitung jener Dokumente, welche die umfassende, lange Zeit geheim gehaltene Kooperation der DDR mit den Todfeinden Israels belegen. So sehr er die Bedeutung eines militanten linken Israelhasses in der BRD vor dem Hintergrund der NS-Vergangenheit herausstreicht, betont Herf doch, dass es die staatliche militärische Unterstützung der arabischen Staaten und der PLO durch die Ostblockstaaten war, welche die Ereignisse im Nahen Osten entscheidend beeinflusst hat.

Syrische, irakische und libysche Politiker haben sich gegenüber DDR-Funktionsträgern immer wieder über ihre Vernichtungsfantasien bezüglich Israel ausgelassen. Das wurde von Ostberlin in internen Stellungnahmen zwar mit Missfallen registriert, hatte aber keine Auswirkung auf die enge Kooperation insbesondere mit Ägypten und Syrien, die sich Anfang der 1970er Jahre anschickten, mit ihren Vernichtungsdrohungen durch einen Angriffskrieg ernst zu machen. Möglich wurde der Jom-Kippur-Krieg 1973 nur durch die massive Aufrüstung der mit Israel verfeindeten arabischen Diktaturen durch die Staaten des Warschauer Paktes – auch durch die DDR, die zudem militärische Ausbildung auf ihrem Territorium anbot.

Herf dokumentiert das Ausmaß der militärischen und geheimdienstlichen Kooperation Ostdeutschlands mit den arabischen Staaten bis Ende der 1980er Jahre. Die Waffenlieferungen der DDR trugen unmittelbar zu den Verlusten auf israelischer Seite bei, insbesondere während des Jom-Kippur-Kriegs, während dem die DDR nicht nur Kampfjets, sondern auch NVA-Soldaten nach Syrien verlegte. In dem von Herf untersuchten Zeitraum wurden über 6.000 israelische Soldaten in den arabisch-israelischen Kriegen getötet und mehr als 21.000 verletzt. Hunderte Zivilisten wurden bei palästinensischen Terrorangriffen in Israel ermordet. Herf betont, dass Israel „durch Waffengewalt zerstört worden wäre“, wenn die arabischen und palästinensischen Verbündeten der DDR erfolgreich gewesen wären.

Die Grundlage für die gegen­wär­tige Agitation wurde im Kalten Krieg gelegt

Angesichts neu aufflammender Debatten in der deutschen Linken, ob es nicht geboten sei, zwischen einem klar antisemitischen Antizionismus einerseits und einem „geschichtsbewussten“, emanzipativ-universalistischen Antizionismus andererseits zu unterscheiden, sei auf Herfs Fazit verwiesen, dass es für jene Israelis, die in den Jahrzehnten des Kalten Krieges getötet oder verwundet wurden, keinen Unterschied machte, ob ihre Feinde durch klassische und offene Judenfeindschaft motiviert waren (so wie beispielsweise der langjährige syrische Verteidigungsminister Mustafa Tlass, dessen Machwerk „The Matzo of Zion“ von Herf als ein Klassiker des arabisch-nationalistischen Antisemitismus ausgiebig gewürdigt wird) oder durch „den trendigeren Antizionismus der weltweiten Linken“.

Die Idee, die Zerstörung des jüdischen Staates habe nichts mit dem Hass auf Juden zu tun, markiert Herf als eine der zentralen Illusionen der damaligen Linken – eine Illusion, die sich bis heute bei jenen linksradikalen Universalisten gehalten hat, die allen Ernstes meinen, den Nahostkonflikt durch die Brille eines rätekommunistisch verstandenen, von der Geschichte des Nationalsozialismus in keiner Weise affizierten Klassenantagonismus interpretieren zu können.

Herfs detaillierte und materialreiche Studie ist ein wichtiger Beitrag zur Diskussion über Antisemitismus in der Linken, und es bleibt zu hoffen, dass auch seine ausgesprochen instruktiven Studien „Nazi Propaganda in the Arab World“ und „The Jewish Enemy“ bald in deutscher Übersetzung erscheinen.

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