piwik no script img

Nils Schuhmacher Hamburger SoundtrackDemütig die Flinte ins Korn geworfen

Katja Husen (Grüne) ist in der vergangenen Woche zum zweiten Mal bei der Wahl zur Bezirksamtsleiterin in Eimsbüttel gescheitert. In diesem Zusammenhang äußerte sie einen Satz für die Ewigkeit: „Schade, dass ich nicht zeigen darf, dass ich es wert bin.“ In dieser Aussage verbindet sich Selbstbewusstsein („wert“) mit Menschlichkeit („schade“) und Demut („schade“).

Man möchte diese Haltung zum Ende des Jahres auch der Musikweltindustrie empfehlen, die in 2020 schließlich äußerst unbequemen Herausforderungen entgegensieht. Zum Beispiel könnte der Satz als eine Art Abschiedsgruß in Form eines Stickers auf den letzten CDs angebracht werden. Dieses Format wurde lange schon totgesagt, hat aber jetzt wirklich dauerhaft ausgedient. Schon unter den aktuellen Weihnachtsbäumen liegen keine Tonträger, sondern nur noch Spotify-Premium-Abos und Band-T-Shirts, an denen zwar die jeweilig Beschenkten verdienen (und zwar in Form der damit verbundenen Mehrung kulturellen Kapitals), sonst aber niemand mehr.

Auch viele Künstlerinnen und Künstler werfen im kommenden Jahr die Flinte ins Korn oder ziehen diesen Schritt in Erwägung. Allerdings – und hier zeigt sich eben der Unterschied zwischen Politik und Kunst, Bezirksamt und Popkonzert – nicht wegen Misserfolg und Missachtung, sondern in einem Akt der völligen Selbstbestimmung. Wenn überhaupt, müssten sie also sagen: „Schade, dass ich nicht mehr zeigen will, dass ich es wert bin.“ Was aber weniger elegant und auch ein wenig zu selbstbewusst klingt und deshalb nicht zu erwarten ist (außer vielleicht von José Mourinho, der aber kein Musikkünstler ist).

Helene Fischer wiederum kann sich einen solchen Schritt für 2020 zumindest vorstellen, wie sie in einem Interview erklärte. Derzeit „genießt“ (tz) sie bereits eine Auszeit, von „heute auf morgen“,daraus könne aber auch ein Dauerzustand werden, und zwar „ohne Probleme“.

Feine Sahne Fischfilet haben ebenfalls eine Auszeit beschlossen. Die Band, die man allein schon wegen ihrer politischen Haltung und nicht wegen ihres Ska-Punks gut finden kann, ist zum Jahresende auf Tour (Sa, 21. 12., und So, 22. 12., Sporthalle). Dann folgt erst mal das, was Künstlerinnen und Künstler eine „kreative Pause“ nennen. Und dann geht es, anders beispielsweise als bei der CD, auch wieder weiter. See you, kann man zumindest in diesem Fall sagen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen