Mitsorge auf Antrag

FAMILIENRECHT Ein im Juli vorgelegter Gesetzesentwurf sieht vor, dass ein lediger Vater auf Antrag gegen den Willen der Mutter ein Mitsorgerecht für das gemeinsame Kind durchsetzen kann. Die Tücken liegen im Detail

Ein gemeinsames Sorgerecht darf dem Kindeswohl nicht zuwiderlaufen

VON OLE SCHULZ

Wenn sich Paare trennen, kann der Streit um die gemeinsamen Kinder schnell zur Schlammschlacht werden, und in kaum einem anderen Bereich wird mit solch harten Bandagen gekämpft wie im Sorgerecht.

Bis heute ist die rechtliche Situation unverheirateter Paare mit Kindern dabei anders als die verheirateter mit Nachwuchs. Denn bei Paaren ohne Trauschein kann die Mutter nach deutschem Recht das gemeinsame Sorgerecht verweigern. Vor allem Väterverbände sehen darin schon länger eine Ungleichbehandlung, und der Europäische Gerichtshof hat in einer Entscheidung im Jahre 2009 diese Einschätzung bestätigt. Ein Jahr später wurde die noch geltende Regelung vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt.

Anfang Juli hat das Bundeskabinett nun einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der vorsieht, dass ein lediger Vater in Zukunft auch gegen den Willen der Mutter ein Mitsorgerecht für das Kind durchsetzen kann. Ein wichtiges Kriterium muss dafür allerdings erfüllt sein: Ein gemeinsames Sorgerecht darf dem Kindeswohl nicht zuwiderlaufen.

Dem Entwurf zufolge soll ein lediger Vater künftig beim Familiengericht die sogenannte Mitsorge für sein Kind beantragen können. Wenn die Mutter sich innerhalb einer gesetzten Frist, die frühestens sechs Wochen nach der Geburt ablaufen darf, nicht äußert oder keine stichhaltigen Argumente gegen ein väterliches Mitsorgerecht hat, bekommen beide Eltern das Sorgerecht.

Viele Experten sehen den Gesetzesentwurf als Schritt in die richtige Richtung – aber nicht als großen Wurf. Er sei vielmehr ein „ängstliches Trippelschrittchen“, sagt Stefan Nowak, Fachanwalt für Familienrecht. „Warum nicht gleich die gemeinsame elterliche Sorge von Anfang an, wie bei verheirateten Eltern?“, fragt sich der Berliner Anwalt. In vielen Nachbarländern – sogar im katholischen Polen – funktioniere das auch, und das „teilweise schon seit Jahrzehnten“. Es entspreche zudem den veränderten gesellschaftlichen Umständen, wo doch hierzulande inzwischen jedes dritte Kind unehelich zur Welt komme.

Nowaks Kollegin Sabine Hufschmidt, Rechtsanwältin und Mediatorin, ist dennoch gegen ein gemeinsames automatisches Sorgerecht bei unverheirateten Paaren ab Anerkennung der Vaterschaft „auf Gedeih und Verderb“. Sie kenne viele Fälle, „in denen sich die Väter nicht ausreichend um ihre Kinder kümmern“ – oder solche, „wo die Eltern nicht mehr in der Lage sind, normal miteinander zu reden“.

Für Hufschmidt bleibt die wichtigste Voraussetzung für ein gemeinsames Sorgerecht, dass „die Eltern in halbwegs vernünftiger Weise miteinander kommunizieren können“ – und genau das sei nach schmerzhaften Trennungen oft nicht gegeben. Da würden die Kinder – auch von Müttern – häufig instrumentalisiert, um den eigenen Willen durchzusetzen, und gerade bei unverheirateten Paaren gebe es so viele Beziehungskonstellationen und Lebensmuster, dass man sie „nicht über einen Kamm scheren kann“. Wichtig ist laut Hufschmidt deshalb, genau hinzuschauen, „aus welchen Motiven heraus ein gemeinsames Sorgerecht beantragt wird“.

Betroffene Eltern sollten sich außerdem über mögliche Konsequenzen bewusst sein: Die Pflichten des gemeinsamen Sorgerechts gehen so weit, dass beide Elternteile zum Beispiel den Reisepass für das Kind zusammen beantragen müssen.

Die Grünen schätzen die Gemengelage ähnlich wie Anwältin Hufschmidt ein und begrüßen darum die Ausrichtung der geplanten Reform: „Der Entwurf kommt unseren Vorstellungen recht nahe“, so Katja Dörner, Sprecherin für Kinder- und Familienpolitik. Auch die Grünen wollen „keinen Automatismus für ein gemeinsames Sorgerecht“, sondern ein „niedrigschwelliges Antragsmodell“, wie es im Entwurf der Regierungskoalition geplant ist.

Doch in einem Punkt gehen den Grünen die Änderungen nicht weit genug, denn eine „Stärkung von Beratung und Mediationsverfahren beim Jugendamt“, wie sie die Grünen fordern, ist nicht vorgesehen.

Stattdessen soll es, sofern die Mutter ihr Veto gegen den Antrag des Vaters einlegt, zunächst zu einem „beschleunigten Verfahren“ kommen, in dem ohne Anhörung des Jugendamtes oder der Eltern vom zuständigen Familiengericht darüber entschieden wird, ob die Einwände in der schriftlichen Stellungnahme der Mutter gehaltvoll genug erscheinen. Nur wenn das der Fall ist, kommt es zu einer umfassenden gerichtlichen Prüfung. Väterverbände befürchten freilich, dass die Mütter dann weiterhin im Vorteil sind.

Anwalt Stefan Nowak hält einen grundsätzlichen Automatismus für den „schlüssigeren“ Weg: „Bei verheirateten Eltern wird die elterliche Mitsorge des Vaters mit Geburt erteilt. Da wirkt kein Jugendamt mit, Beschwerden dagegen sind unzulässig. Fristen gibt es schon gar keine. Und trotzdem funktioniert es.“ Sollte sich im Einzelfall zeigen, dass das gemeinsame Sorgerecht nicht dem Wohl des Kindes entspreche, könne das Familiengericht es immer noch abändern, so Nowak.

Eines scheint zumindest jetzt schon festzustehen: Die schwierige Frage, was dem Wohl des Kindes „am besten entspricht“, wird wohl auch in Zukunft ausreichend Stoff für Zank und Tränen geben – egal, wie die neue Regelung im Detail aussieht.