Kinderexperte gegen Schiavo-Christdemokrat

taz geht wählen – die Serie zur Bundestagswahl am 18. September. Die 64 nordrhein-westfälischen Direktwahlkreise im Porträt. Wer kämpft um das Mandat? Wer sind die Außenseiter? Wer gewinnt? Heute: Unna I

Unna I?

An der Ostgrenze Dortmunds, zum Teil das nördliche Sauerland umfassend, liegt der Wahlkreis Unna I. Er umfasst die fünf Städte Bergkamen, Fröndenberg, Kamen, Schwerte und Unna sowie die beiden Gemeinden Bönen und Holzwickede. In letzterer schuf der Ausbau des Dortmunder Flughafens samt Gewerbegebiet in den letzten Jahren über 600 neue Arbeitsplätze. Und jede Menge Fluglärm für die machtlosen Anwohner.

Wer verteidigt den Wahlkreis?

Rolf Stöckel. Seit 1998 sitzt er für die SPD im Bundestag. Damals sackte er satte 59,3 Prozent der Stimmen ein. Vier Jahre später immerhin noch 56,4 Prozent. Mittlerweile ist er Kinderbeauftragter der Fraktion und Mitglied des Gesundheitsausschusses. „Vorfahrt für Arbeit auch im Bergbau!“, fordert der gelernte Diplom-Sozialarbeiter (48) und Vater von drei Kindern. Als Schlusslicht der Landesliste muss der Stöckel, der als neuer NRW-SPD-Landesgruppenchef in Berlin gehandelt wird, nun ganz auf die Direktwahl setzen.

Wer will den Wahlkreis?

Christdemokrat Hubert Hüppe (48), stellvertretender Vorsitzender der Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ setzt sich mit bioethischen Themen auseinander und Vertritt ein klares „Nein!“ gegen Abtreibung, gegen Sterbehilfe, gegen Präimplantationsdiagnostik. Wann immer solche Themen ins öffentliche Interesse rücken, ist der dreifache Familienvater bundesweit ein gefragter Mann. „Ja, ich würde so leben wollen wie Terri Schiavo“, erklärt er dann zum Beispiel bei Sandra Maischberger. Werbung macht der Diplom-Verwaltungswirt, mittlerweile 14 Jahre Mitglied des Bundestages, mit seinen Einnahmen: Seit 1998 stellt er seinen Einkommenssteuer-Bescheid ins Internet. Nebeneinnahmen gleich Null erfährt der (potenzielle) Wähler dort. Auf der CDU-Landesliste sitzt Hüppe mit Platz 22 fest im Sattel.

Die großen Außenseiter?

Biobauer Friedrich Ostendorff von den Grünen. 2002 zog er mit Listenplatz 8 in den Bundestag ein. Das dürfte mit seinem diesjährigen 12. Platz schwer werden. Auf dem landete er, weil die besseren Positionen fast ausschließlich von Grünen-Politikern aus großen Städten besetzt wurden. „Wahlen werden auf dem Land gewonnen oder verloren. Das scheint die Landespartei vergessen zu haben“, beschwerte sich Ostendorff nach der Listenaufstellung bei der taz. Für die WASG tritt Gabriele Dröst, Betriebsratsvorsitzende der Erdnuss-Schmiede „The Nut Company“ (Ültje, Felix) in Schwerte, an.

Die taz-Prognose?

Rolf Stöckel wird wieder – wenn auch knapp – die meisten Stimmen einsammeln. Hubert Hüppe, zieht über die Liste in den Reichstag ein. Friedrich Ostendorff kann sich wieder intensiv um Schweine, Hühner und Kühe kümmern. Auf seinem Hof natürlich. Gabriele Dröst tritt weiter für die Arbeitnehmerrechte von Erdnüssen ein.

SEBASTIAN KORINTH