Die goldene Säge goes to…

Beim 11. Osnabrücker Straßenmusikfestival am Samstag zählte der Auftritt mindestens genauso viel wie musikalisches Können. Das Rennen machte schließlich „Holladihoppsassa“, eine spontan zusammengewürfelte Kombo

Etwas ist anders an diesem Samstagmorgen in der Osnabrücker Innenstadt: Die Stadt ist voller Straßenmusikanten. Schon am Eingang des Wochenmarktes am Dom erklingen die ersten Geigen- und Oboen-Töne, jemand zupft einen Kontrabass, ein anderer bewegt eine Quetsche. Dazu ein unaufhörlicher Rhythmus auf dem Cajon. Eine Mischung zwischen Melancholie und Fröhlichkeit verbreiten „Di Chuzpenics“ mit ihrer jiddischen Musik. Es scheint sowohl Kindern als auch Erwachsenen zu gefallen, schon werden die ersten Kleinen mit Münzen zu dem aufgestellten Hut geschickt.

Die Musiker von „Di Chuzpenics“ aus Kiel spielen das erste Mal auf dem Osnabrücker Straßenmusikfestival „Die goldene Säge“. Hingegen schon zum elften Mal ermöglicht das „Forum Osnabrück für Kultur und Soziales“ (FOKUS) Straßenmusikern aus der ganzen Welt ihr Können und ihre Originalität unter Beweis zu stellen. Anmelden kann sich jeder und jede, in diesem Jahr haben 25 Gruppen, Solisten oder Duos ihre Kunst auf das Pflaster gebracht. Wer die goldene Säge – „eine Auszeichnung für Schrilles, Originelles oder Nervtötendes“ – schließlich überreicht bekommt, ermittelt die Jury im Laufe des Tages.

„Wenn ihr mitmacht, braucht ihr kein Geld reinwerfen, wäre aber nett“, lädt die Gruppe „Pimp My Panzer“ die Zuschauer vor dem Stadttheater ein, die ein oder andere Schelle zu den Dudelsack-Klängen zu bewegen. Etwa 30 Passanten bleiben stehen: Opas mit Enkeln, Rentnerpaare, Mittfünfziger und Familien mit kleinen Kindern. Alf Ende, der mit seiner Gitarre nur ein paar Meter entfernt steht, hat es schwer, sich gegen so viel Präsenz und laute Dudelsäcke durchzusetzen. Aber er hat noch eine Chance: Nach dreißig Minuten sollen alle Musiker die Orte wechseln.

Auf einer Bank, ein Stückchen die Fußgängerzone herunter, sitzt Ernesto. „Er ist der älteste Straßenmusiker der Welt“, behauptet Jury-Mitglied und Organisator Klaus Terbrack. Über 80 ist Ernesto, im vergangenen Jahr hat er die goldene Säge bekommen. Auch dieses Jahr gibt er selbst komponierte Lieder mit – zugegeben – verrückten Texten zum Besten. „Dieses Lied habe ich 1947 in französischer Gefangenschaft geschrieben“, ruft er den vorbeilaufenden Menschen zu. „Es heißt Urwaldgeburtstag, denn der Orang Utan hat im Urwald Geburtstag.“ Ernesto schrammelt los.

Einige Schritte weiter: endlich Bob Dylan. „No, no, no, it ain’t me babe. It ain’t me you’re looking for babe.“ Mit Mundharmonika und Gitarre legen sich die beiden Musiker ins Zeug. Ob der nahende Wolkenbruch schuld an zu wenig Aufmerksamkeit ist?

Abends werden die Besten und die Verrücktesten prämiert. Die Klezmer-Gruppe „Di Chuzpenics“ wird als beste Gruppe belohnt. Die goldene Säge aber und das Preisgeld von 200 Euro gehen an „Holladihoppsassa“. Dabei haben sich die fünf Osnabrücker erst zwei Tage zuvor zusammengetan und angemeldet. In Dirndl, Knickerbocker, Trachtenjacke und Wanderschuhen haben sich die fünf aus Osnabrück ganz auf gutes, altes Liedgut konzentriert. Die Jury ist überzeugt. „Das optische Konzept stimmt, das musikalische dank einiger nicht getroffener Töne nur zum Teil.“

Jennifer Neufend