Die wollen nur diskutieren

Von Neonazis auf einer ihrer Veranstaltungen lässt sich die Lüneburger Linkspartei überraschen. Während einzelne für einen Rauswurf plädieren, wartet der Vorsitzende lieber, „ob sie stören“

Der LP-Mann: „Eigentlich hätten wir dies erwarten müssen“

von Andreas Speit

Mit Neonazis diskutieren: ja oder nein? Diese Frage musste sich in der vergangenen Woche der Lüneburger Kreisverband der Linkspartei (LP) stellen. Zwar wollen die NPD und die „Freien Kameradschaften“ die Partei nach offiziellen Aussagen nicht mehr unterwandern, doch einzelne Funktionäre wie Thomas Wulff rufen noch immer „nationale Sozialisten“ dazu auf: „Sucht das Gespräch!“

Am Donnerstag besuchte Wulff folgerichtig mit Gesinnungsgenossen eine LP-Wahlveranstaltung in Neuhaus bei Lüneburg. „Wir waren sehr überrascht“, sagt Gerhard Schiborowski, Kreisvorsitzender und Landesvorstandsmitglied. „Eigentlich hätten wir dies aber erwarten müssen“, räumt er im Gespräch mit der taz ein. Schließlich wohnt Wulff, Anführer der Freien Kameradschaften und Sekretär des NPD-Bundesvorsitzenden, in Amholz, keine 20 Kilometer entfernt, und sein Mitbewohner Michael Grewe bemüht sich im Nachbarort Teldau im Gemeinderat um die „deutschen Interessen“. In Neuhaus selbst wirbt eine Kameradschaft hin und wieder für die „nationale Opposition“.

20 Zuhörer waren zu der Informationsveranstaltung über das LP-Wahlprogramm erschienen – darunter nach Aussagen von Anwesenden Wulff mit drei Männern und einer Frau im Gefolge. Noch während die ersten Biere bestellt wurden, erzählt ein Besucher, habe er auf die Gruppe aufmerksam gemacht und empfohlen, sie höflich hinauszubitten. Der Kreisvorsitzende Schiborowski habe jedoch erst abwarten wollen, ob „sie stören“ und gemeint: „Wenn die diskutieren wollen, diskutieren wir die unter den Tisch.“ Daraufhin habe er enttäuscht die Veranstaltung verlassen, erzählt der Zuhörer. Auf dem Weg zu seinem Fahrzeug sei er von vier Neonazis mit Totschlägern angegriffen worden, die ihm auch noch mit dem Wagen gefolgt seien und mit Leuchtspurmunition auf sein Auto geschossen hätten.

In dem kleinen Saal legte derweil laut Ohrenzeugen Wulff ausführlich dar, dass „leider“ die Aussagen des Spitzenkandidaten Oskar Lafontaine zu „Fremdarbeitern dem Inhalt des LP-Wahlprogramms widersprechen“. Schiborowski will daraufhin erwidert haben, dass Lafontaine den Begriff nicht so gemeint hätte, wie Wulff ihn verstanden habe. Die NPD wolle doch nur mit rassistischer Ausgrenzung die wirtschaftliche Situation alleine für „Deutsche“ ändern, habe er argumentiert, während die LP eine sozialere Verteilung für alle Menschen anstrebe. „Weder Lafontaine, noch die Linkspartei grenzen die betroffenen Menschen aus“, sagt Schiborowski.

Der LP-Mann findet nicht, dass man sich an dem Abend alleine mit rechten Einwürfen auseinander gesetzt habe oder dass die Rechten mit ihrer Anwesenheit die Diskussion oder gar die Situation beherrscht hätten. Auch befürchtet Schiborowski nicht, dass eine Debatte mit den Neonazis sie als akzeptables politisches Gegenüber erscheinen lasse.

Dennoch will die LP jetzt diskutieren, wie sie mit rechten Besuchern umgehen soll. Ein Beispiel könnte sie sich an einer SchülerInnen-Initiative aus Buxtehude nehmen, die im vergangenen Jahr die Veranstaltung „Neofaschismus im Landkreis Stade“ abbrach, als die Rechten mitreden wollten. „Den Kadern wollten wir kein Forum bieten“, erklärte damals eine Sprecherin. „Vor allem wollen wir nicht zu ihrem demokratischen Alibi werden, nach dem Motto: ‚Die haben mit uns geredet, so schlimm können wir dann doch nicht sein.‘“