: Wie LSD das Klima rettet
Halluzinogene verändern unser Bewusstsein. Kann das den Systemwandel herbeiführen?
von Sarah Fritz und Jana Anouk Mansour
„Sag mal, gehts bei euch Pflanzen eigentlich auch so ab wie bei uns in der Gesellschaft?“ fragt Julia den Baum, während sie ihren Kopf an ihn lehnt und die krabbelnden Käfer in seiner Rinde beobachtet “Gibt es bei euch auch Parteien mit unterschiedlichen Meinungen, die sich lieben und streiten?“ Es ist als würde der Baum in sich rein lachen. Nach einem Moment kommt die Antwort: “Mach dir keine Gedanken, bei uns ist es auch crazy. Bei uns gibt es auch Krieg und Liebe.“
Was nach einem Woodstock-Moment klingt, ist eine Erfahrung der jungen Klimaaktivistin und Religionswissenschaftlerin Julia Mandoki auf einer geringen Dosis LSD. Ihre erste Erfahrung mit halluzinogenen Substanzen hatte sie im Alter von 19 Jahren in Peru gesammelt. Dies gab ihr ein neues Verständnis von unserer Welt als ein in sich geschlossenes Ökosystem, in dem alles voneinander abhängt. Von diesem Moment an steigerte sich ihr Empathievermögen kontinuierlich. Sie sah sich nun immer mehr als Teil ihrer Umwelt und nicht als ein von ihr abgetrenntes Lebewesen. “Du bist dann einfach nicht mehr in der Lage dazu, wegzuschauen“ sagt Julia. „Es wird dir immer weh tun wenn du Plastik irgendwo siehst.“
Zeigt diese Erfahrung, dass der Konsum von LSD uns aus der Klimakrise retten kann?
Auch Gayle Bredbrook, eine Mitbegründerin von Extinction Rebellion, hatte während einer Zeremonie mit halluzinogenen Pflanzen die Idee, die Bewegung zu gründen. Und selbst im Silicon Valley greifen Entwickler*innen zu geringen Mengen LSD. Das sogenannte Microdosing soll nicht nur die Kreativität steigern, sondern auch zu alternativen Lösungsansätzen führen.
Die Forschung zeigt, dass unter Einfluss von psychoaktiven Substanzen die Aktivität des DMN (default mode network) gehemmt wird. Das ist jenes Zentrum im Gehirn, in welchem Dr. Robin Carhart-Harris vom Imperial College London den Sitz der rationalen Wahrnehmung verortet. Beim Konsum von LSD, so Robin Carhart-Harris, sind nicht nur bestehende Persönlichkeitsmuster blockiert, es bilden sich auch neue neuronale Vernetzungen – das Bewusstsein verändert sich.
Für Julia ist der LSD-Konsum aber nur ein Weg zur Bewusstseinsveränderung: “Für mich war es eine Erkenntnishilfe, aber nicht jede*r erhält diese Botschaft.“ Dennoch sagt sie, sei es in der Klimabewegung wichtig, neben der kognitiven Ebene auch emotional ein Bewusstsein für ökologische Zusammenhänge zu schaffen.
Welchen Weg wir auch wählen, die Wurzel des Problems liegt näher als wir denken – in unserem Bewusstsein.
Sarah Fritz, EnBW; Jana Anouk Mansour, Studentin der Kultur und Sozialanthropologie
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen