berliner szenen: Prost, Mensch-lichkeit!
Für Raucher gibt es kaum etwas Erfüllenderes, als sich nach einem opulenten Mahl die „Zigarette danach“ zu genehmigen. Also stehe ich am Samstagabend mit einer Freundin vor einem Restaurant in der Akazienstraße – und wir beide ziehen am Glimmstängel. Plötzlich kommt eine Frau mit einem riesigen blauen Müllsack aus dem Nachbarhaus heraus. Wütend schaut sie zu uns und beginnt dann aus dem Nichts heraus ihre Hasstirade: „Sie können doch nicht direkt in unseren Hausflur reinqualmen! Wegen Leuten wie Sie werde ich zur Passivraucherin! Das geht gar nicht klar, dass hier ständig vor dem Restaurant geraucht wird. Der Rauch zieht immer zu uns ins Haus rein. Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, wie schädlich das für uns ist? Aber nein, das interessiert Sie bestimmt nicht, wenn ich mir so den Boden anschaue. Überall liegen hier Zigarettenstummel, die ich dann wegkehren muss. Echt, diese Raucher haben wirklich keinen Anstand …“
Fassungslos schaue ich meine Freundin an und überlege zugleich, was ich dieser Dame darauf antworten soll. Da meine Freundin nicht so wirkt, als wolle sie sich dazu äußern, beschließe ich, diesen Part zu übernehmen. Doch als ich gerade zur Antwort ansetzen möchte, ist die Frau mit dem Müll schon weitergelaufen. Ich drücke meine Zigarette, wie ich das auch sonst zu tun pflege, im Aschenbecher aus und drehe mir direkt eine neue. Ich sage zu meiner Freundin: „Die Frau denkt, wir wären asozial, dabei ist sie doch die Asoziale! Was ist denn das für ein Verhalten, uns für etwas zu verurteilen, wofür wir gar nicht verantwortlich sind?!“
Unsere Zigaretten liegen brav im Aschenbecher. Außerdem stehen wir vor dem Restaurant und nicht vor ihrem Hauseingang. Warum also dieser ganze Hass, unbekannterweise? Nach der zweiten Zigarette beruhige ich mich wieder, und wir bestellen ein Bier. Prost, auf die Menschlichkeit.
Eva Müller-Foell
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