Israels Finanzminister tritt zurück

Mit seinem Abgang protestiert Benjamin Netanjahu gegen den Abzug aus Gaza. Offiziell begründet er seinen Schritt mit einer Verschlechterung der Sicherheitslage. Doch es geht auch darum, schon jetzt für mögliche vorgezogene Neuwahlen zu punkten

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Einen dramatischeren Zeitpunkt hätte Benjamin Netanjahu, Israels Finanzminister, für seinen Rücktritt kaum wählen können. Das Kabinett trat gestern zusammen, um in letzter Abstimmung vor dem in einer Woche beginnenden Abzug aus dem Gaza-Streifen die Räumung dreier isolierter Siedlungen zu ratifizieren. „Nehmen Sie meinen Rücktritt zur Kenntnis“, meinte Netanjahu, während er den handschriftlichen Brief vor Premier Ariel Scharon auf den Tisch legte.

Netanjahus Nein zur Siedlungsräumung war zu erwarten gewesen, sein Rücktritt überraschte dennoch offenbar auch sein engeres Umfeld. Wiederholt hatte der Finanzminister den Ruf seiner Anhänger im national-religiösen Lager überhört, wegen der geplanten Evakuierung zurückzutreten.

Offizieller Grund für seinen Schritt ist die Sorge, dass der Abzug „unter Feuer“ stattfinden werde und Israel keine Gegenleistung von palästinensischer Seite gewinne. Zudem werde die Sicherheitslage noch schwieriger werden und Gaza zu einer „Basis des Terrors“. Zudem spalte der Abzug das israelische Volk und halte am Prinzip des Rückzugs auf die Grenzen von 1967 fest.

Die Regierung hatte mit dem Gesetz „Räumung – Wiedergutmachung“ Anfang des Jahres grundsätzlich über die Räumung entschieden, muss aber vor jeder Phase den konkreten Plan ratifizieren. Die Räumung der drei isolierten Siedlungen Kfar Darom, Netzarim und Morag lehnten fünf Minister ab.

Mit seinem Rücktritt hat Netanjahu ein Exempel statuiert. Sein auffordernder Blick ist nun auf die ihm ideologisch nahe stehen Minister gerichtet, es ihm nachzutun. In Gusch Katif, dem größten Siedlungsblock im Gaza-Streifen, wurde der Rücktritt Netanjahu begrüßt, andere kritisierten, er komme zu spät. Offenbar hatte der Finanzminister seit einiger Zeit geplant, sein Amt abzugeben. Nach Auskunft seines Sprechers habe er seinen Rücktritt gestern wegen der Regierungsabstimmung eingereicht und da er „die Reformen der Wirtschaft abgeschlossen“ habe. Kommunikationsministerin Dalia Itzik (Arbeitspartei) begrüßte den aufrechten und „längst überfälligen“ Schritt ihres Kollegen.

Tatsächlich hatte Netanjahu den Abzugsplan von Anfang an kritisiert. Nach Ansicht des Gewerkschaftsführers Amir Peretz (Arbeitspartei) wollte sich der scheidende Finanzminister „einen Tag vor Veröffentlichung des Armutsberichts“ schlicht der Verantwortung entziehen.

Netanjahu nutzte eine Woche vor Abzugsbeginn die angespannte Atmosphäre in der Öffentlichkeit, um schon jetzt Punkte für mögliche vorgezogene Neuwahlen zu sammeln. Dann wird er innerhalb des Likud gegen Scharon antreten. Entscheidend für den Premier ist, ob die Lage nach dem Abzug friedlich bleibt und ob dieser selbst friedlich vonstatten geht. Einem Bericht der liberalen Tageszeitung Ha’aretz zufolge arbeiten die meisten Ortsvertretungen eng mit der Armee zusammen, um Zwischenfälle zu verhindern.