Serbischer Präsident verweigert Reformen

BOSNIEN UND HERZEGOWINA Internationale Unterhändler scheitern mit ihrem Versuch, eine neue Verfassung durchzusetzen. Das Gesamtparlament sollte gestärkt, der Hohe Repräsentant dafür abgezogen werden

SARAJEVO taz | Die von der Europäischen Union (EU) und den USA in Bosnien und Herzegowina angestrebten Reformen sind offenbar chancenlos. Milorad Dodik, Ministerpräsident der serbischen Teilrepublik, erklärte am Sonntag, ihn interessierten Verfassungsänderungen nicht. Damit düpierte er die internationalen Unterhändler Carl Bildt und Olli Rehn von der EU sowie den US-amerikanischen Vizeaußenminister James Steinberg. Die drei waren am Freitag nach Sarajevo gekommen, um Parteiführern aus den Volksgruppen der Bosniaken (Muslime), Serben und Kroaten Vorschläge für die Beilegung der Verfassungskrise vorzulegen.

Ziel der Konferenz war nach bisherigen Informationen, das Büro des Hohen Repräsentanten aufzulösen und so die Herrschaft der internationalen Institutionen in Bosnien und Herzegowina zu beenden. Zusätzlich sollte eine Verfassungsreform durchgesetzt werden, um das Land überhaupt erst regierbar zu machen. Die bisherige auf dem Friedensvertrag von Dayton 1995 basierende Verfassung teilt das Land in zwei Entitäten, die bosniakisch-kroatische Föderation und die serbische Teilrepublik „Republika Srpska“. Der Gesamtstaat ist schwach, alle Gesetze müssen durch die Parlamente der Landeshälften bestätigt werden. Viele Gesetze, die für den Integrationsprozess in die EU wichtig sind, können so blockiert werden.

Nach den Vorschlägen der drei Unterhändler sollen die Blockademöglichkeiten stark verringert werden. Auf Bundesebene soll ein Staatspräsident statt des heutigen dreiköpfigen Präsidiums – mit je einem Vertreter aus jeder Volksgruppe – eingesetzt werden. Damit kamen die drei Unterhändler den Vorsitzenden der bosniakischen Parteien entgegen, die seit dem Ende des Krieges 1995 eine funktionsfähige Verfassung fordern, während serbische Politiker wie Milorad Dodik Bosnien und Herzegowina als Staat am liebsten auflösen und die serbische Teilrepublik unabhängig machen wollen. Entgegenkommen wollten die Unterhändler Dodik, indem sie seiner Forderung nach Abzug des mit weitreichenden Vollmachten regierenden Hohen Repräsentanten nachkommen. Auch die europäischen Sicherheitskräfte (Eufor) sollen binnen neun Monaten abgezogen werden können.

Die schon als „kleines Dayton“ eingestufte Konferenz in Butmir bei Sarajevo war unter strengster Geheimhaltung kurzfristig anberaumt worden. Nicht einmal der Hohe Repräsentant der Internationalen Gemeinschaft, Valentin Inzko, wusste, welche Vorschläge die Unterhändler den bosnischen Parteiführern unterbreiten würden. Bildt und Steinberg wollten offenbar vermeiden, dass die Inhalte bereits im Vorfeld zerredet würden.

Erste Reaktionen in Bosnien zeigen, dass sich auch nach der Konferenz an den grundsätzlichen Differenzen der bosnischen Parteiführer nichts geändert hat. Ohne die Zustimmung Dodiks kann eine Verfassungsreform nicht durchgeführt werden. Und ohne einen funktionierenden Staat kann sich Bosnien und Herzegowina nicht an die EU annähern. Was nun auf der von Bildt, Rehn und Steinberg für den 20. Oktober anberaumten Folgekonferenz verhandelt wird, ist unklar. ERICH RATHFELDER

Meinung + Diskussion SEITE 12