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Galerie im KörnerparkWie blau ist die Gegenwart? Wie tief summt die Geschichte?

Johanna Unzueta: „Portrait (La Boissière)“, 2019, 5 Holztafeln, Indigo (natürliches Pigment), Pastellstifte, Ölpastellkreiden, Aquarellfarbe, Nägel, Leinengarn Foto: Benjamin Renter; Courtesy die Künstlerin und Proyectos Ultravioleta

Über Ethik in der Farbenproduktion wird viel zu wenig gesprochen, über den Zusammenhang zwischen (Neo-)Kolonialismus und globalem Pigmenthandel noch weniger. Johanna Unzueta aber setzt sich in der Gruppenausstellung „This might be a place for humming birds“ in der Galerie im Körnerpark zur Geschichte des bereits von den Maya und Azteken aus Anil-Blättern und Ton gewonnenen Maya-Blau in Beziehung und schlägt mit ihrer Stoffbahn „How Deep Is The Ocean, How Hi Is the Sky“ den Bogen zu heutigen Initiativen in Guatemala, die wieder mit pflanzlich gewonnenem Indigo experimentieren: Im 19. Jahrhundert hatte das von dem deutschen Chemiker Adolf von Baeyer eingeführte synthetische Indigo lokale Märkte zerstört. Unzuetas bestickte Holztafeln mit dem Titel „Portrait (La Bossière)“ zitieren Pflanzenformen und wirken gleichzeitig wie futuristisch-organische Formeln alternativer Färbetechniken. Dass Maya-Blau bis heute fast unzerstörbar ist und nicht an Farbkraft verliert, nur nebenbei. Was die Arbeiten in der von Çağla Ilk und Antje Weitzel hervorragend kuratierten Ausstellung verbindet, ist die Überzeugung, mit künstlerischen Mitteln Geschichte und Gegenwart anders schreiben zu können: Marilyn Boror bezieht sich auf den strukturellen Zwang zum Passing, der der Praxis des Ablegens indigener Familiennamen in Guatemala eingeschrieben ist: Boror selbst änderte öffentlich ihren Namen und widmet dem Akt eine Gedenktafel. In ihrer Videoperformance „Tus tortillas mi amor“ verleibt sich Sandra Monterroso die Geschichte buchstäblich ein, indem sie Mais kaut, wieder ausspuckt und zu Tortillas verarbeitet, während sie Gedichte auf Maya-Q‘eqchi rezitiert, der Sprache ihrer indigenen Vorfahren. Mit Bezug auf den Feminizid in Guatemala schlüpft Regina José Galindo für „Presencia“ in die Kleider ermordeter Frauen – oft in Anwesenheit von Angehörigen, die die Kleider für Galindos Akt der Verkörperung zur Verfügung stellen. Eine Ausstellung, die Geistern begegnet anstatt sie zu verklären. nym

Bis 5. 2., Mo.–So. 10–20 Uhr (24./25. & 31. 12., sowie 1. 1. geschlossen), Schierker Str. 8

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