FDP will ungewollte Babys retten

Christian Lindner, familienpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion in NRW, fordert die Möglichkeit einer anonymen Geburt. Eine Legalisierung könne Kindestötungen verhindern, sagt er

VON NATALIE WIESMANN

Die FDP fordert die Legalisierung von anonymen Geburten. Sie reagiert damit auf die aktuell bekannt gewordenen Kindestötungen in Brandenburg. Christian Lindner, familienpolitischer Sprecher der NRW-Landtagsfraktion, will einen von der baden-württembergischen CDU/FDP-Regierung vor Jahren in den Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurf wieder aufleben lassen.

„Wenn einzelne Frauen von den konventionellen Hilfsangeboten nicht erreicht werden, dann muss ihnen im Interesse der Kinder endlich auf der Basis klarer gesetzlicher Regelungen eine Alternative eröffnet werden“, sagt der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion. Bei Kindstötung und Kindsaussetzungen seien die Hintergründe zwar nicht hinreichend erforscht. Belegt sei aber, so Lindner, dass viele Frauen in Notsituationen ihr Kind teilweise unbemerkt von ihrem sozialen Umfeld austrügen. Sie brächten ihr Baby ohne qualifizierte medizinische Begleitung zur Welt.

In vielen Krankenhäusern NRWs werden anonyme Geburten bereits durchgeführt. Doch nur zwei Kliniken, das Sankt-Anna-Hospital in Herne und das Johanna-Etienne-Krankenhaus in Neuss gehen damit in die Öffentlichkeit. Denn die Geburtshelfer bewegen sich juristisch in einer Grauzone: Gegen MitarbeiterInnen der Neusser Klinik, die seit Jahren anonyme Geburten durchführten, hatte bis vor kurzem noch die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ermittelt. Während das Verfahren gegen sie inzwischen eingestellt wurde, ermittelt die Staatsanwaltschaft weiter gegen zwei Frauen, die Anfang Januar dort entbunden haben.

Die Staatsanwaltschaft wirft den unbekannten Müttern immer zweierlei vor: Personenstandsfälschung und die Verletzung ihrer Unterhaltspflicht. Das erste bezeichnet den Umstand, dass die Mutter dem Standesamt die Geburt ihres Kindes nicht meldet. Zudem entzieht sich die Frau dadurch auch der gesetzlichen Unterhaltspflicht. Das gleiche gilt für Frauen, die ihre Kinder in so genannte Babyklappen legen. In NRW gibt es inzwischen 20 solcher Einrichtungen. Gegen die erste Mutter, die in Wuppertal ihr Baby zu einer Klappe brachte, ermittelt auch die Staatsanwaltschaft.

Für Lindner sind Babyklappen ohnehin die zweitbeste Lösung: „Es macht keinen Sinn, Müttern zu erlauben, ihr Kind wenige Stunden nach der Geburt ohne Angabe der Identität in eine Babyklappe zu legen, ihnen aber nur unter Nennung ihres Namens ärztliche Hilfe bei der Geburt zukommen zu lassen.“ Strafrechtliche Sanktionen würden weder dem Kind noch der Mutter dienen, sagt der Liberale.

Während sich Geburtshelfer über die Schützenhilfe von Lindner freuen können, gibt es auch skeptische Stimmen: Die Menschenrechtsorganisation „Terre des Hommes“ lehnt anonyme Geburten und Babyklappen gleichermaßen ab. Dadurch würden Frauen erst zur Aussetzung ihres Kindes verführt, sagte Gerd Faruß, Sprecher der Ortsgruppe in Neuss, der taz. Außerdem habe eine Befragung von Müttern, die ihre Neugeborenen getötet hatten, ergeben, dass die meisten von ihnen nicht auf das Angebot anonymer Geburten zurückgegriffen hätten.