Streik verzögert Schulbücher-Lieferung

Zwei Wochen vor Schulbeginn streiken in Bielefeld rund 50 MitarbeiterInnen des Cornelsen-Verlags. Sie kämpfen gegen die Kündigung ihres Ergänzungstarifvertrags und verzögern die Lieferung von täglich 120 Tonnen Schulbüchern

BIELEFELD taz ■ Fast 10.000 Schulen in gesamten Bundesgebiet müssen in diesem Jahr möglicherweise ohne die bestellten neuen Schulbücher anfangen: Im Bielefelder Verlagskontor des Schulbuchverlags Cornelsen wird seit gestern gestreikt. Da in Ostwestfalen der gesamte Versand der Berliner Verlagsgruppe abgewickelt wird, hofft die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi auf ein schnelles Einlenken der Geschäftsführung. „Wer als Arbeitnehmer etwas durchboxen will, muss dem Unternehmen Schaden zufügen“, sagt Gewerkschaftssekretär Günther Domke. „In der Schulbuch-Hochsaison können wir Cornelsen empfindlich treffen. Und wir werden solange streiken, bis unsere Forderungen durch sind.“

Schon jetzt habe sich laut Verdi die Lieferung der bestellten Schulbücher um einige Tage verzögert – und in zwei Wochen beginnt in Nordrhein-Westfalen der Unterricht. Bislang beteiligen sich rund 60 der 320 Angestellten an dem Streik. „Wir hoffen, dass es noch deutlich mehr werden“, sagt Günther Domke.

Die MitarbeiterInnen kämpfen um den Erhalt ihres 1993 ebenfalls erstreikten Ergänzungstarifvertrages. Als der Cornelsen-Verlag vor zwölf Jahren seine gesamte Logistik nach Bielefeld ausgliederte, wechselte der Cornelsen Verlagskontor vom Tarif für Buch- und Zeitschriftenverlage in NRW zum Tarifverband Groß- und Außenhandel. Die Angestellten hätten so rund zehn Prozent weniger verdient. Nach einem Warnstreik wurde ein Ergänzungstarifvertrag ausgehandelt: Statt 38,5 Stunden arbeiten die Arbeitnehmer 37 Stunden. Außerdem erhalten sie als Weihnachts- und Urlaubsgeld 150 Prozent eines Monatsgehaltes. Der Vertrag gilt nur für die rund 100 MitarbeiterInnen, die schon vor 1993 für Cornelsen arbeiteten.

„Das war von vornherein als Übergangsregelung gedacht“, sagt Unternehmenssprecherin Heike Aistermann. Der Verlagskontor müsse in der heutigen wirtschaftlich schweren Zeit wettbewerbsfähig bleiben und könne es sich nicht mehr leisten, seinen Angestellten Sonderleistungen zu zahlen. „Dafür bieten wir unseren Angestellten eine Arbeitsplatzgarantie“, sagt Aistermann. „Und das will heutzutage was heißen.“

Der Streik könne dem Unternehmen nicht schaden, gibt sie sich optimistisch. „Wir mussten etwas umstrukturieren, aber solange der Streik sich nicht ausweitet, können wir mit der Situation umgehen.“

Gewerkschaft und Betriebsrat bezweifeln diese Außendarstellung. „Wir haben Informationen, dass die Geschäftsführung bei einer Leiharbeitsfirma Aushilfen angefordert hat, damit es nicht die ganz große Katastrophe zum Schulbeginn gibt“, sagt Verdi-Sekretär Domke. „Die haben richtig Angst.“

Deshalb will die Dienstleistungsgewerkschaft auch keine Kompromisse schließen. „Wir verzichten doch nicht kampflos auf sechs Prozent Lohn“, sagt Domke. „Das wäre für andere Unternehmen eine Einladung zur Tarifflucht.“

Zur Zeit werden bundesweit auch die Manteltarifverträge neu verhandelt. „Nur wenn die sich deutlich verbessern, ändert sich unsere Position“, sagt Domke, der dabei für Verdi NRW die Verhandlungen führt. Wegen der laufenden Verhandlungen gilt für die Gewerkschaften nicht die gesetzlich vorgeschriebene Friedenspflicht, der Arbeitskampf bei Cornelsen ist also auch unbefristet legal. MIRIAM BUNJES