„Nicht nur unter Brüdern“

Oberlandesgericht lehnt weitere Beweiserhebung im Verfahren gegen Motassadeq ab. Bundesanwalt hält in Plädoyer an Terrorvorwurf fest

Selbst die Bundesanwaltschaft findet den Antrag der Nebenklage unseriös

Von Elke Spanner

Es war das erste Mal im Verfahren gegen Mounir El Motassadeq, dass sich die Bundesanwaltschaft (BAW) und die Verteidigung einig waren: Einer weiteren Beweisaufnahme zum Vorwurf, Motassadeq sei Mitglied der Hamburger Terrorzelle um Mohammed Atta gewesen und habe die Todespiloten vom 11. September bei ihren Anschlägen unterstützt, bedarf es nicht.

Einhellig wiesen sie gestern den Antrag eines Nebenklagevertreters zurück, zwei in Frankreich inhaftierte mutmaßliche al-Qaida-Angehörige als Zeugen zu laden, um weitere Hinweise auf die Verstrickung Motassadeqs in das Terrornetzwerk zu bekommen. Auch das Gericht sah „keine Veranlassung, den Beweisanregungen nachzugehen“.

Mit rund sechstündiger Verzögerung begann die BAW deshalb erst am Nachmittag mit ihrem Schlussplädoyer, das heute fortgesetzt werden soll. Darin warf Bundesanwalt Walter Hemberger dem Marokkaner „aktive Unterstützung“ bei den Attentaten vor. Motassadeq habe „keineswegs nur Hilfe unter Brüdern geleistet“, seine Freundschaftsdienste hätten vielmehr der „Verschleierung“ gedient.

Hemberger ging auch auf den rechtskräftigen Freispruch des ebenfalls als Terrorhelfer angeklagten Motassadeq-Freundes Abdelghani Mzoudi ein, der inzwischen nach Marokko ausgereist ist: „Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass Mzoudi Mitglied der Gruppe um Atta war“, beharrte er.

Der Antrag von Nebenklageanwalt Andreas Schulz geht zurück auf einen Bericht des stern. In der aktuellen Ausgabe berichtet das Magazin über eine Terrorzelle in Duisburg rund um den deutschen Konvertiten Christian Ganczarski, der an den Anschlägen von Djerba am 11. April 2002 beteiligt gewesen sein soll. In dem Bericht wird angedeutet, dass auch der in Hamburg angeklagte Motassadeq möglicherweise Kontakt zu dieser Terrorgruppe gehalten hat. Denn am 13. Februar 2001 schrieb Ganczarski eine E-Mail an ein anderes Mitglied jener Duisburger Gruppe, in der er ihm „viele Grüße von Monir“ ausrichtet – womit Mounir El Motassadeq gemeint sein könnte. Zudem fand die Polizei bei einem weiteren Verdächtigen in Duisburg die Kontonummer von Motassadeqs Ehefrau.

Die BAW aber sprach sich gegen das Ansinnen aus, Ganczarski und einen weiteren in Frankreich inhaftierten Verdächtigen als Zeugen zu laden. Sie bezeichnete den Antrag der Nebenklage gar als „unseriös“. Denn bisherige Ermittlungen hätten ergeben, dass es im Umfeld von Ganczarski mindestens drei „Mounirs“ oder „Monirs“ gegeben habe, die alle hätten gemeint sein können. Und die Kontonummer von Motassadeqs Ehefrau habe der Deutsche, der als einer der engsten Vertrauten von Ussama bin Laden gilt, erst im Jahr 2002 gehabt – als Motassadeq längst angeklagt war und seine Ehefrau Spenden für die Prozesskosten gesammelt hat.

Im ersten Prozess vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht (OLG) hatte das Gericht Motassadeq zu 15 Jahren Haft verurteilt, wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Beihilfe zum Mord in 3.066 Fällen. Der Bundesgerichtshof hatte das Urteil kassiert und eine Neuverhandlung gefordert.

Heute werden die Ankläger ihren Schlussvortrag fortsetzen und verkünden, welches Strafmaß sie für Motassadeq verlangen. Danach plädiert die Verteidigung. Das Urteil wird für den 19. August erwartet.