aus der mensa: der technische fortschritt von HARALD KELLER
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Seit der an sich zutiefst ornitophobe Old Wabble seine neue Wohnung bezog, hat er die Freuden der Vogelbeobachtung entdeckt und berichtet nun tagtäglich staunend über Tauben, die lässig aufs Flachdach hingefläzt die Flügel wie zum Hitlergruße heben oder mit gesträubtem Gefieder genüsslich duschen. Wiewohl fasziniert, möchte er die Ratten der Lüfte doch weiterhin auf Distanz halten, und so werden eifrig Rezepte ausgetauscht. Hilfreich soll sein, eine Wasserpistole mit einem Gemisch aus Wasser und Essig zu füllen und nicht nur die Tauben, sondern auch ihre Sitzplätze zu benetzen.

„Gib’s ihnen mit der Pumpgun“, stachelt Geierschnabel auf. „Mäh sie nieder.“ – „Eine Katze hilft auch“, weiß Wabble. „Aber wie kriegst du die in die Wasserpistole?“ – „Brauche ich gar nicht. Die hängt an einer Hundeleine, die sich auf Knopfdruck aus- oder einrollt. Ich werfe die Katze aus, lasse sie die Tauben erschrecken, und wenn ich auf die Spule drücke, kommt sie im Tiefflug zu mir zurück.“

„Du hast wirklich so ein Ding gekauft?“, argwöhnt Droll. „Ja, klar!“, bekräftigt Wabble. „Gab’s doch günstig bei Poldi.“

„Wozu braucht man so was, wenn man keinen Hund hat?“, fragt Geierschnabel. „Ist doch klar“, trumpft Droll auf. „Wabble hängt den Karabiner zu Hause an seiner Türklinke ein und marschiert los. Wenn er irgendwann sturzbetrunken ist, drückt er auf den Knopf und lässt sich nach Hause schleifen. So findet er immer wieder in seine neue Wohnung zurück.“ – „Clever“, staunt Geierschnabel. „Muss man erst mal draufkommen.“

Der bislang stillen Hanni bereitet das Draufkommen heute Probleme. Sie war am Abend zuvor bei einem Zechgelage, wo ein Likör verköstigt wurde, der nach einem Gangster benamst sein soll. Sie würde gern davon erzählen, kann sich aber an die Marke partout nicht mehr erinnern. Gern helfen die Männer weiter.

„Ein Gangster? Lambsdorff!“, schlägt Strunk vor. „Neiiiin“, kiekst Hanni. „Möllemann!“, behauptet Geierschnabel. „Wenn ich mal so richtig abstürzen will, trinke ich nur Möllemann.“ – „Das ist nichts gegen einen Barschel“, fällt Droll ein. „Ein Glas, und dir bleibt die Luft weg.“

„Ihr seid doof“, erkennt Hanni, und Babs, die man nie Babsi nennen darf, nickt beifällig.

„Ich hatte auch ein eigenartiges Erlebnis“, meldet Klumpe, wobei sich das Füllwort „auch“ ausschließlich der Tatsache verdankt, dass das bisherige Gespräch bei ihm nur als breiiges Summen angekommen war. „Jedenfalls“, hebt Klumpe an, weil er immer so anhebt, „war es so, dass ich in eine Tomate gebissen habe, und da drin war ein ausgereifter Sojabohnenspross.“ – „Ein Wunder“, konstatiert Droll unbeeindruckt. „Ein neuer Dalai Lama ist uns geboren“, freut sich Geierschnabel. Klumpe verdreht die Augen. „Gentechnologie!! Dahinter steckt die Gentechnologie. Die haben ganz klar die Tomate mit Sojagenen geimpft.“ – „Die kannst du bei eBay versteigern“, erkennt der wie immer sehr geschäftstüchtige Strunk. „Ich hab’ die doch längst weggeschmissen.“ – „Das war dumm“, attestiert Droll.

Aller Augen ruhen auf Hanni und Babs, die in synchroner Bewegung näher an den Tisch gerückt sind und bang in ihren Schüsselchen mit frischem Tomatensalat herumstochern.