WÜRDEN DIE FLÜCHE BESTOHLENER FAHRRADEIGENTÜMER WIRKLICHKEIT, KÄME ES ZU MANCH SCHMERZHAFTEM TODESFALL
: Heinz, Marx, BGB

ROGER REPPLINGER

Heinz ist weg. Komm ich am Mittwoch in den Fahrradkeller, um Heinz „Guten Tag“ zu sagen und eine Runde zu drehen – isser weg. Meinen Fahrradhelm haben die Strolche über einen anderen Hobel gehängt. Wenn ich es richtig sehe, fehlen noch zwei, drei andere Räder. „Verfickte Scheiße!“, sagt man heute zu sowas.

Wer diese Kolumne nicht zum ersten mal liest, weiß: Heinz ist ein rotes Mountainbike, eines, das mehr kann als andere. Sprechen zum Beispiel. Für das, was die Strolche da getan habt, kommen sie in die Radhölle, was bedeutet, ewig den Radweg Luruper Hauptstraße fahren. Von der Gaststätte „Stadion Eck“ ab, an McDonald’s vorbei, Schweinske, Freiwillige Feuerwehr, „Hallo Pizza“ und zurück. Und wenn die Reifen kaputt sind, das geht schnell, auf den Felgen weiter. Und immer weiter Luruper Hauptstraße.

Die wenig haben, das wusste schon Dr. Marx aus Trier, behumpsen sich gegenseitig, weil sie an diejenigen, die was haben, ohne Revolution nicht ran kommen. Diejenigen, die was haben, haben auch Zäune, Wachleute, Dobermann, Kamera, und schießen, wenn ihnen einer ans Eigentum will.

Bei uns ist die Tür zum Fahrradkeller oft nur zugezogen, nicht abgeschlossen. Weil im Vorderhaus Dödel wohnen, die nicht abschließen. Nur ihr Fahrrad mit Kindersitz. Frau Valentin von der Polizei schüttelt den Kopf, wenn sie so was hört. Als ich die Anzeige aufgebe, ist vor mir eine Frau dran: Rad, angekettet, aus dem Hof geholt, nach mir eine Frau: Rad gemopst, und neben mir sitzt eine: Rad vorm Mundsburg Center stibitzt. Werden ihre Flüche wahr, ist der Dieb inzwischen tot, und sein Ende war lang und schwer.

Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), nach dem bei uns Recht gesprochen wird, ist zutiefst bürgerlich. Es bestraft die Entwendung von Eigentum höher als die Ausübung von Gewalt, weil die Wahrscheinlichkeit, dass ein Bürger seines Eigentums verlustig ging, größer war, als die, dass seine Tochter einem vergewaltigenden Proletarier in die Hände fiel. Die Tochter und der Proletarier begegneten sich nicht in der Klassengesellschaft des 19. Jahrhunderts. Aber der Papa musste ja in der Welt unterwegs sein, und da blieb es nicht aus, in Kontakt zu treten mit Angehörigen anderer Klassen, von deren Zugehörigkeit zur menschlichen Spezies das Bürgertum erst seit Ende des Zweiten Weltkriegs überzeugt ist. Gegen die damit verbundenen Gefahren richtete das BGB seinen Stachel. Deshalb wird Geld Fälschen hart, einen umhauen weniger hart bestraft. Gehauen wird ja unter Seinesgleichen.

Für mich ist es schlimm, weil ich Heinz mochte. Nun muss ich mit meinem grünen Rad fahren. Teurer, neuer, aber nur ein Rad. Schon tut’s Knie weh. Du Arschloch, der du Heinz geklaut hast, stell ihn wieder zurück. Oder sag mir, wo er ist, ich komm ihn holen. Das ist eine leere Hoffnung, denn die taz liest du nicht. So wünsch ich dir: Hals und Beinbruch.