Ausgehen und rumstehen von Detlef Kuhlbrodt
: Kabelfernsehen und Eierravioli in pikanter Soße

In der Woche war ganz schön was los gewesen. Infolge einer Eingebung, die vielleicht durch das ganze Erinnern an 1989 ausgelöst wurde, hatte ich mich entschlossen, mir wieder Kabelfernsehen anzuschaffen, und einen Vertrag im Telefon bestellt. Kabelfernsehen war ab 1985 Jahre der Hit und CNN der Star an der Mauer. Und später war da noch diese dänische Künstlerin, die die Mauer heiraten wollte, weil sie sie so schön fand.

Vor dem Mauerfall hatte es Fernsehen auf Türkisch, Französisch, Englisch und Russisch gegeben. Sowie AFN und zwei verschneite DDR-Programme über Antenne. In den letzten zehn Jahren hatte ich kein Kabelfernsehen mehr und zu viel im Laptop geguckt. Nun ist es toll, wieder Fernsehen im Fernseher zu gucken. BBC, CNN, Bibel-TV, TV5, Pro7, RTL und wie die ganzen Sender alle heißen. Während man früher meinte, ganz nah am Geschehen zu sein, vor dem Fernseher, während diese ganzen Handwerker in stonewashed Jeans hundert Meter Luftlinie an der armen Mauer zu Gange waren, ist die Distanz zwischen Auge und Fernsehgerät nun recht erholsam. Wenn man in den Fernseher guckt, ist es, als wäre man bei Freunden zu Besuch, die auch immer gerne fernsehen. Es freut mich auch, dass ich so die blöde Antenne endlich aus meinem Zimmer schmeißen kann.

Wie auch immer, es ist schon Freitagnachmittag und eine neue Einkaufsidee im Kopf: Ein neuer Schreibtischstuhl muss her. Den Alten hatte ich mir vor 20 Jahren besorgt, ohne dass er mir ans Herz gewachsen war. Oft hatte ich neidisch auf die Schreibtischstühle der anderen geschaut. Ein wenig unsicher gehe ich in der Büromöbelabteilung von Poco-Domäne spazieren, setze mich mal da, mal dort hin. Ein paar andere sind auch da und fotografieren die Stühle. Ich warte, bis sie weg sind, um einen Gamer-Stuhl zu testen, der aber doch nicht so gut ist. Schließlich entscheide ich mich für das Modell „Niklas“, auch weil es genauso taubengrau aussieht wie der Teppichboden in meinem Zimmer. Ein weiterer großer Erfolg! Vergnügt sitze ich bis in die Puppen am Schreibtisch.

Am Samstagvormittag legt ein Vogel eine Erdnuss in einen meiner Blumenkästen. Vielleicht will er sich mit mir befreunden, vielleicht hat er die Erdnuss aber auch in den Blumenkasten gelegt, um niedliche Eichhörnchen damit anzulocken, die er dann auffressen will. Ich mache die Erdnuss kaputt, denn vielleicht hat sie der bunte Vogel ja auch dort hingelegt, damit ich sie für ihn knacke. So geht der Tag dahin. Zu Mittag gibt es eine halbe Dose Eierravioli mit pikanter Soße. Abends geht es zu B. – in seinen Block. Ein holländischer Freund ist auch dabei, der in der Autoindustrie arbeitet und E-Autos doof findet.

Wir gucken Fußball und fachsimpeln über Fußball, Batterien und die Verhältnisse. Irgendwie kommen wir auf die Partei „D66“, die ich mehrmals „D77“ nenne. Weil es in den 1970er Jahren so viele Produkte mit wissenschaftlich klingenden Namen wie den Fleckenreiniger „K2R“ oder den „VW K70“ gegeben hatte.

Am Sonntagnachmittag ist ein netter Fachmann im Deutschlandfunk und lässt „Das weiche Wasser bricht den Stein“ spielen. Die Bots waren die vielleicht furchtbarste Band der Welt und kamen aus Holland. Sie waren sehr für den Frieden. Alle Versuche, ihr schreckliches Lied wieder aus dem Kopf zu bekommen, bewirken das Gegenteil. Bei Facebook annoncieren Friedensfreundinnen ein Buch, das vom Friedenskampf in Mutlangen in den 1980er Jahren berichtet. Es heißt „Wird unser Mut langen“. Und im Fernsehen am Abend feiert Ulrike Folkerts mit Ben Becker dreißig Jahre „Tatort“.