Betriebe scheuen neue Ausbildungsberufe

Neue Lehrangebote werden nur zögerlich angenommen. Die Nachfrage in NRW ist unterschiedlich, das Angebot hängt von regionalen Bedingungen ab. Beliebt sind Ausbildungen in IT-Berufen, zum Mediengestalter oder Mechatroniker

Die Wirtschaft hatte Bedarf angemeldet und nach einem komplizierten, etwa zweijährigen Abstimmungsverfahren zwischen Arbeitgebern, Gewerkschaften, Bund und Land stand fest: Fünf völlig neue Ausbildungsberufe stehen Schulabgängern seit dem 1. August zur Auswahl (siehe Kasten unten). Zumindest theoretisch. Denn Arbeitgeber, die diese auch anbieten, sind in Nordrhein-Westfalen äußerst rar. Ein Blick in die Ausbildungsplatz-Börsen der Industrie- und Handelskammern im Internet verrät: ÄnderungsschneiderInnen, Fachkräfte für Agrarservice und Technische ProduktdesignerInnen können oder wollen Betriebe zur Zeit nicht ausbilden.

Immerhin für die zwei anderen neuen Berufsfelder gibt es Angebote: Drei zum Kaufmann/zur Kauffrau für Tourismus und Freizeit auszubildende Jugendliche werden ebenso gesucht wie zehn Servicefahrer-Azubis. Aber auch die Arbeitsagenturen in Dortmund, Hagen, Düsseldorf und Wuppertal können keine Ausbildungsplätze in den neuen Berufen vermelden. „So richtig in Schwung gerät das immer erst im zweiten Jahr“, sagt Hella Lüth vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag.

Offensichtlich auch diesmal, obwohl die Ausbildungsordnungen für die neuen Berufe schon im April und damit recht früh fertiggestellt wurden. Ein Problem bleibt jedoch bestehen: „Die Info-Veranstaltungen über neue Berufe werden von den Unternehmen nur zögerlich angenommen“, sagt Hella Lüth. Vor allem seien Unternehmer skeptisch, ob der Berufsschulunterricht schon reibungslos verlaufe. Dem versuchen die Industrie- und Handelskammern mit gezielten Besuchen in den Betrieben entgegenzuwirken, bei denen dann Platz für Platz eingeworben werde.

Auch von den spezifischen Bedingungen der Region hängt die Breite des Angebots ab. „Agrarwirtschaft und Tourismus spielen bei uns einfach eine geringe Rolle“, sagt Daniel Junk von der Arbeitsagentur Wuppertal. Dass neue Ausbildungsangebote erst langsam angenommen werden, ist ihm nicht neu. „Das war trotz großer Nachfrage bei den IT-Berufen damals nicht anders.“

Die Nachfrage sieht in NRW noch recht unterschiedlich aus. Während die meisten Arbeitsagenturen noch überhaupt keine oder nur vereinzelte Anfragen registriert haben, ist das Interesse etwa in Coesfeld groß. „Wir haben neun Bewerber für eine Ausbildung zum Tourismus- und Freizeitkaufmann und vier für eine Ausbildung zum Servicefahrer“, sagt Karin Hartmann, Sprecherin der Agentur. Stellen sind aber auch in Coesfeld Mangelware. Einen Ausbildungsplatz als Servicefahrer hat die Agentur schon vergeben, ein Platz als Kaufmann für Tourismus und Freizeit ist noch frei. Das war‘s.

Ähnlich sieht es bei der Arbeitsagentur in Herford aus: 22 Jugendliche haben Interesse an den fünf neuen Jobs angemeldet. Lediglich vier Stellen als ServicefahrerIn stehen allerdings zur Verfügung. In Solingen und Remscheid werden je sechs Ausbildungsplätze zu ServicefahrerInnen angeboten.

Hoch im Kurs stehen bei Jugendlichen nach wie vor Ausbildungen zu IT-Berufen, zum Mediengestalter und zum Mechatroniker. 2004 wurden in diesen Bereichen NRW-weit 5.500 neue Ausbildungsverträge geschlossen. „Es wird da bewusst über den Bedarf hinweg ausgebildet“, sagt Martin Seiler von der Arbeitsagentur in Hamm. Eine sichere Anstellung sei bei den Berufen ebenso wenig garantiert wie im Handwerk. Tenor der Arbeits-agenturen: Immer wichtiger werden Zusatzkenntnisse, das persönliche Auftreten und Engagement sowie Fremdsprachen.

SEBASTIAN KORINTH