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der rote fadenKleingehäckseltes und Halbgares: Politik als Wurstmaschine

Foto: H. Schild-Vogel

Durch die Woche mit Nina Apin

Vielleicht liegt es daran, dass es diese leckere Wildbratwurst im taz-Café gab. Aber ich habe mir die ganze Woche über den Politikbetrieb als eine Art altmodische Wurstmaschine vorgestellt: Vorne kommt was Großes rein – die Idee einer gerechten Gesellschaft mit einer Grundrente für alle oder die Mission, den Planeten für künftige Generationen zu retten, an der Seite kurbelt eineR. Und hinten kommt was Kleines raus. Im besten Fall in Form eines appetitlich verpackten Endprodukts – ein Würstchen namens Klimapaket. Oder im schlechtesten Fall, weil es im Inneren der Maschine hakt und ruckelt, gar nix.

Würstchen

Wenn gar zwei oder mehr Leute in entgegengesetzte Richtung kurbeln, dann geht es weder vorwärts noch rückwärts. Dann muss der Koalitionsausschuss entscheiden, so wie jetzt am Sonntag über das Streitthema Grundrente: mit Bedürftigkeitsprüfung – oder ohne?

Manchmal ist die Politikmaschine auch nicht ganz dicht, dann quellen an der Seite unerwünschte und halbgare Nebenprodukte heraus. Mindestens halbgar die ungeschickt formulierten Äußerungen des SPD-Parteivorsitzkandidaten Norbert Walter-Borjans im Streitgespräch mit seinen parteiinternen KonkurrentInnen auf Spiegel Online: Er würde erst mal bloß einen Spitzenkandidaten aufstellen, sagte der Ex-NRW-Finanzminister, und keinen „Steigbügel“ ins Kanzleramt wollen. Die bösen Kollegen spitzten das gleich zu auf die Aussage, dass der Mann seiner Partei davon abrate, einen eigenen Kanzlerkandidaten aufzustellen – mangels Erfolgsaussichten. Oh weh: „verzagt“, “„Demutsgeste“, „Biss verloren“ – das waren noch die freundlichsten Reaktionen. Hätten die GenossInnen nicht einfach stillschweigen können, bis die Stichwahl am 20. November Klarheit darüber bringt, wer denn nun die SPD führen soll, wohin auch immer? Aber es hat ja keiner mehr Geduld, Prozesse abzuwarten, die nicht sofort kommentierungsfähig auf Twitter sind. Ob im Inneren der Maschine auch manchmal Dinge geräuschlos laufen (Entlastungsgesetz für Kinder pflegebedürftiger Eltern) oder selbst mit viel Mühe nicht zu Konsensbrei verfleischwolft werden können: Es muss immer einen Output geben. Und wenn es keinen gibt, dann simuliert man ihn halt. Wie bei der „Halbzeitbilanz“ der Großen Koalition, die einst als Evaluation dieses vielgehassten Zusammenschlusses angekündigt wurde und Mitte der Woche dann verdruckst als „Bestandsaufnahme“ präsentiert wurde. Man habe „viel erreicht“, hieß es – und man präsentierte Früchte der Bürokratie mit lustigen Namen wie „Entwurf eines Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetzes“ (es geht dabei übrigens um schnellere Umsetzung von Verkehrsprojekten).

Kanzlerkandidat

Ein halbgares Nebenprodukt, das besser noch ein wenig im Inneren der Maschine kleingepresst worden wäre, war der Vorschlag von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, die Bundeswehr künftig an sämtlichen Ecken und Enden der Welt einzusetzen: Im Pazifik und in der Sahelzone sollen deutsche Soldaten jetzt mit Führungsanspruch wirken. Führung im Pazifik? Warum? Eine echte Maschinenidee.

Konsensbrei

Der Wurstmaschinenvergleich, das gebe ich gern zu, ist auch nicht besonders ausgereift. Er stößt schnell an seine Grenzen. Vor allem deshalb, weil PolitikerInnen nun mal keine Ma­schinen sind, sondern Menschen. Und da ist es alarmierend, wenn in einer Woche gleich zwei Abgeordnete im Bundestag zusammenklappen: Der nordrhein-westfälische CDU-Abgeordnete Matthias Hauer erlitt während einer Rede einen Schwächeanfall. Und am selben Abend kippte die Linken-Abgeordnete Simone Barrientos während einer Abstimmung um.

Wassermangel

In der Folgediskussion über die Vorfälle stellte sich heraus, dass es im Bundestag offenbar ­gegen die Würde des hohen Hauses verstößt, in den Sitzungen Wasser zu trinken. Zum Wassermangel kommen stickige Luft, Stress und ein immer unversöhnlicher Umgangston. Und nicht zu vergessen die Gier derer, die außerhalb des Ma­schinenraums weilen, nach vorzeigbaren Ergebnissen, soliden Kompromissen und möglichst auch noch vielen warmen Worten für die unverstandenen WählerInnen da draußen. Obendrauf kommt dann noch die ganze Hass-Gülle aus dem Netz.

Was zu viel ist, ist zu viel. Deshalb an dieser Stelle auch mal ein paar Worte der Wertschätzung an die ParlamentarierInnen. Was der Bundestag nämlich diese Woche auch noch beschloss und was ganz unterging, waren ein paar handfeste und lebensnahe Verbesserungen: Für weibliche Hygiene­produkte wie Tampons und Damenbinden gilt künftig der ermäßigte Umsatzsteuersatz. Das Gleiche gilt für elektronische Bücher und Zeitungen. Endlich gilt die Periode nicht mehr als Luxus, und endlich zählen auch elektronisch konsumierbare Ergebnisse publizistischer Anstrengung zur elementaren Grundversorgung.

Nächste Woche Johanna Roth

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