Wahlkampf ohne Studiengebühren?

3,5 Millionen Euro Langzeitstudiengebühren will der Bremer Senat ab nächstem Jahr kassieren. Das Gesetz dazu will SPD-Wissenschaftssenator Willi Lemke erst im Oktober einbringen. „Die SPD fürchtet den Wahlkampf“, sticheln Grüne und CDUler

Bremen taz ■ Die Hochschule für Künste macht nicht viele Worte. Durch das von SPD und CDU geplante Bremer Studiengebühren-Gesetz, so formuliert sie knapp in ihrem an alle Studierenden verschickten Merkblatt, „soll die bisherige Studiengebührenfreiheit wesentlich eingeschränkt werden“. Ab dem Wintersemester 2006/07, darauf haben sich die Koalitionäre verständigt, müssen Studierende ab dem dritten Semester jeweils 500 Euro berappen – es sei denn, sie melden ihren Erstwohnsitz in Bremen an und studieren nicht länger als 7 Jahre.

Der Bremer Senat geht davon aus, dass 3.500 der 30.000 Bremer Studierenden die Gebühr bezahlen müssen. Das gab er jetzt in einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen bekannt. Außerdem würden 80 Prozent der 10.000 noch im Umland lebenden Studis nach Bremen ziehen, was dem Städtestaat jährlich 25 Millionen Euro mehr aus dem Länderfinanzausgleich in die Kassen spülen werde.

Die wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen, Silvia Schön, warf dem Senat vor, seine „wenig soliden Zahlen“ seien „durch nichts gedeckt“. Schließlich unterstelle er ja, „dass unter normalen Bedingungen niemand nach Bremen ziehe“.

Den Bremer Hochschulen soll die Studiengebühr-Regelung der Überschlagsrechnung des Senats zufolge jährlich gut drei Millionen Euro einbringen, den Verwaltungsaufwand schon abgerechnet. Dieses Geld „verbleibt den Hochschulen zu 100 Prozent“, wirbt er. Schön hält dagegen: Pünktlich zur Einführung des Bezahlstudiums werde der Senat den Zuschuss für die Bremer Uni kürzen, und zwar um 3,3 Millionen Euro, zitiert sie aus dem Haushaltsplan. „Für Verbesserungen in der Lehre gibt es überhaupt keinen Effekt“, schlussfolgert sie.

SPD und CDU hatten sich Ende Juni, nach monatelangem Streit, in der Wissenschaftsdeputation auf das so genannte „Landeskindermodell“ geeinigt. Nach Auffassung Schöns ist dieses nicht verfassungskonform. Dem Vernehmen nach sollen auch das Justiz- und das Innenressort Bedenken angemeldet haben. Der Senat selber schweigt dazu. Der Senat werde „der Bürgerschaft keinen Gesetzentwurf zuleiten, von dessen Verfassungskonformität er nicht überzeugt ist“, heißt es dort lapidar.

Das indes scheint keine ganz einfache Aufgabe zu sein. Bis heute jedenfalls hat Wissenschaftssenator Willi Lemke (SPD) noch keinen Gesetzentwurf vorgelegt. Die Bürgerschaft, bestätigt sein Sprecher Rainer Gausepohl, solle das Thema Studiengebühren erst im Oktober behandeln – „aus technischen Gründen“.

„Lemke hat keinen Bock, das im Wahlkampf zu haben“, sagt Schön dazu. Das Gesetz stehe schließlich im eklatanten Widerspruch zum SPD-Wahlprogramm, das noch für ein „gebührenfreies Erststudium“ eintrete.

Auch manch CDUler hält die Verzögerung für Taktik. Die SPD fürchte offensichtlich um ihre „Deutungshoheit“: Die Sozialdemokraten hatten den Koalitionskompromiss als Sieg für jenes „gebührenfreie Erststudium“ gefeiert, während die CDU bereits den „ersten Anfang für die Einführung von allgemeinen Studiengebühren“ gepriesen hatte.

Im Senat konnte die CDU in dieser Frage gestern einen Punktesieg verbuchen. Die Senatsantwort auf die Grünen-Anfrage wurde um einen Satz ergänzt. „Die Entwicklung betreffend die Einführungen von Studiengebühren“, heißt es da, werde „verfolgt, um zu gegebener Zeit erforderliche Entscheidungen zu treffen.“ sim