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Christoph Raffelt
Mundwerk
: Die Verehrung des Hahns

Wenn sich unsere französischen Nachbarn von uns in einem unterscheiden, dann ist es ihre Verehrung des Federviehs. Natürlich unterscheiden sie sich in viel mehr Dingen, doch das Huhn – oder besser noch der Hahn – symbolisieren ganz deutlich den Stolz der französischen Küche, manchmal sogar der gesamten Nation.

Schaut man in Deutschland in die Auslagen selbst gut bestückter Supermärkte, so sieht man normalerweise nur ein namenloses Huhn, oftmals zu einem unfassbar niedrigen Preis, der einen Umkehrschluss auf die katastrophalen Bedingungen erlaubt, unter denen dieses Industriehuhn ein Leben lang dahinvegetieren musste. Selbst beim teureren Biohuhn findet man selten die Provenienz und noch seltener die Rassezugehörigkeit erwähnt.

In Frankreich ist das anders. Da sucht man sich die Rasse ganz bewusst aus. Perlhühner sind ebenso vorhanden wie Blaufußhühner aus der Bresse oder Schwarzfederhühner aus Challans. Eines der schönsten Dinge, die man mit diesen im Freiland aufgewachsenen Hühnern in der Küche machen kann, ist, sie mit Wein zu verbinden. Drei Rezepte stehen dabei ganz oben auf meiner Liste.

Das erste ist die Kombination von Perlhühnern mit Vin Jaune aus dem Jura sowie Morcheln und – je nach Jahreszeit – Spargel. Obwohl dieses Gericht tendenziell ein Frühlingsessen ist – frische Morcheln und Spargel gibt es nun einmal nur dann –, funktioniert es auch jetzt im Herbst ganz hervorragend. Denn Morcheln gibt es auch getrocknet, und diese tun der Qualität des Essens keinen Abbruch. Entscheidend sind dabei ohnehin die großen Mengen an Crème fraîche, die dem Essen zusammen mit dem markanten oxidierten Wein und den Pilzen eine wunderbare Sämigkeit verleihen.

Klassisches Coq au Vin findet man in der roten Variante vor allem in der Bourgogne, wo zu diesem Essen beste rote Cru-Burgunder gereicht werden. Hier ist ein Blaufußhuhn aus der Bresse geradezu Pflicht und ebenfalls sehr guter geräucherter Schinken, ferner Champignons und viel Wurzelgemüse.

Wer dieses Gericht eher in einer Variante mit Weißwein bevorzugt, dem sei geraten, statt des roten Burgunders einen trockenen Riesling zu wählen, vorzugsweise einen Elsässer. Denn aus dem Elsass stammt das Rezept.

Im nicht allzu weit entfernten Flandern, wo es weniger Weinbau gibt, dafür aber viele Brauereien, hat man das Gericht abgeändert und kocht das Huhn in hellem Bier. Für welche Art der Zubereitung man sich auch entscheidet: Das Huhn verdient einen ebenso guten Wein, wie jene ihn trinken, die es essen.

Eine geringfügige Abweichung sei gestattet. Der Gutswein gehört zum Huhn in den Topf und – im besten Fall – der Cru vom gleichen Winzer ins Glas. Dem Gericht sollte man an einem Sonntag viel Zeit geben und unbedingt Freunde zum Essen einladen, die diesen Genuss mit einem teilen. Besser kann ein langer Sonntagmittag kaum gestaltet werden. Franzosen wissen schon lange um die Güte eines solchen Huhns, das ein Label-Rouge trägt, damit auch klar ist, dass es gut behandelt wurde.

Solche Hühner findet man beim Genusshandwerker.de, wenn man nicht zufälligerweise einen guten Betrieb zur Hand hat. Solche gibt es im Norden. Einer beispielsweise heißt Odefey & Töchter. Deren Weidehühner grasen und picken in Gruppen von 400 Tieren im Freien, im Gegensatz zu konventionellen Betrieben, wo bis zu 30.000 Masthühner pro Stall niemals die Sonne sehen.

Ebenfalls zu empfehlen ist der nach Demeter-Standards arbeitende Bauck-Hof. Ihn findet man wie Odefey & Töchter im Lüneburger Raum. Er gehört mit zur Bruderhahn-Initiative, bei der auch männliche Küken aufgezogen statt geschreddert werden.