berliner szenen: Wieder in der Klinik
So ging die Geschichte weiter und der Sommer dahin. An dem einen Samstag war M. nicht da und ich bin noch einmal zum Pflegehauptquartier gegangen. Er sei wieder im Krankenhaus, hatte der Diensthabende gesagt, aber er wusste nicht, in welchem. Am nächsten Tag hatte M. sich dann gemeldet, den nächsten Samstag war ich wieder bei ihm angetanzt und er erzählte, wie es im Koma auf der Intensivstation gewesen war. Am Hals, wo die Schläuche drin gewesen waren, hatte er noch einen Verband, ansonsten wirkte er aber wie immer und schimpfte mit der Hochnäsigkeit des gelernten Linksradikalen über das Krankenhaus, in dem er wegen der Keime allein im Zimmer gelegen hatte. „Aber über den Blick, da kann man nicht meckern.“
Ich hatte meine Schwester, die als Krankenschwester auf Diabetes spezialisiert ist, M.s Fall dargestellt und gefragt, was sie empfehlen würde. Regelmäßig essen, hatte sie geantwortet, denn M. ließ oft sein Mittagessen stehen. Er hörte sich die einfachen Ratschläge meiner Schwester an, als wären es ganz neue Ideen, und dann redeten wir wieder über anderes. Das Gras, das ihm B. vor ein paar Tagen gebracht hatte, hatte er schon wieder weggeraucht. Wie immer, wenn ich ihn besuche, möchte ich sofort ein bisschen saubermachen, obgleich es bei ihm nicht dreckiger ist als bei mir. Ich gehe in die Küche, wasche irgendwas ab, mache grünen Ingwer-Orange-Tee und komme mit einem Lappen zurück. Er protestiert, als ich voller Tatendrang den Tisch wischen will. In den Krümeln könnten ja noch Reste rumliegen.
Als die Bundesligasendung zu Ende ist, kommt K. mit ihrem Schläger vorbei. M. hat keine Lust, mit nach draußen zu kommen. Im warmen Licht der Gehweglampe spielen wir noch ein bisschen Tischtennis. Eine Woche später ist M. wieder im Krankenhaus. Detlef Kuhlbrodt
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