Hamburger Szene von Petra Schellen: Von Blockwarten und Busfahrern
Gottes Wege sind wundersam. Aber auch des Busfahrers Launen sind nicht ohne. Und schon gar nicht die jener hanseatisch blonden Chauffeurin, die ich jüngst in der Linie 15 zwischen Hallerstraße und Altona antraf. Ihre Freundlichkeit wich schnell, als eine dunkelhaarige Frau mit schmalem Buggy-Kinderwagen vorn einsteigen wollte statt an der Mitteltür.
Na gut, ihre HVV-Ticket kaufen durfte sie noch. Aber den Buggy, der schon halb drin war, ganz reinfahren – das nicht. „Mit dem Wagen fahren Sie mir hier nicht rein!“, schnauzte die Fahrerin die Frau an, die verschreckt den Buggy rückwärts wieder rausrangierte, nach hinten hetzte und dort wieder einstieg. Die Fahrerin beobachtete es mit Argusaugen im Spiegel.
Ich schwieg eine Weile, fragte dann zaghaft: „Warum durfte die Frau den Buggy nicht durch den Bus schieben?“ „Der Gang ist voller Leute“, bellte sie. Aber da stand niemand, der Bus war sogar recht leer und der Buggy hätte bequem durchgepasst. „Aber sie war doch schon halb drin – also, ich weiß nicht“, murmelte ich. „Aber ich!“, keifte die Fahrerin zurück. „Und ich misch mich ja auch nicht in Ihren Job ein!“ Ich sagte, dass ich ja wohl mal fragen dürfe. „Und ich darf …“ schimpfte sie weiter – ich wandte mich ab, wollte das nicht mehr hören.
Aber ich fühlte mich unendlich müde. War es wirklich nötig, den ohnehin komplizierten Alltag der Mutter durch Schikanen noch schwieriger zu machen? Ja, natürlich sollen Eltern mit Kinderwagen normalerweise an den breiteren Hintertüren einsteigen – wobei ungeklärt ist, was dann mit dem Kinderwagen passieren soll, während die Eltern vorn beim Fahrer das Ticket kaufen im stark schaukelnden Bus.
Aber Regel hin oder her: Kann man, wenn es keinen gefährdet, nicht mal Fünfe gerade sein lassen und ein Quäntchen Menschlichkeit aufbieten, statt andere in Blockwart-Manier zu gängeln?
Ja, anscheinend ist das schwierig. Offenbar macht es manchen Spaß, das bisschen Macht zu missbrauchen, das sie als Busfahrer haben, wenn ein vermeintlich Schwächerer vor ihnen steht. In puncto Sozialkompetenz müsste man das „Stark-Schwach“-Konzept allerdings noch mal diskutieren.
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