LESERINNENBRIEFE
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Gern wüsste frau mehr

■ betr.: „Reisbauern am Polarkreis“, taz vom 25. 8. 12

Interessanter Artikel, aufgemacht wie ein Krimi-Plot und unpassend in der sonntaz unter dem Stichwort Wald (?) verortet.

Informativer als der Artikel ist das dort erwähnte sehenswerte Video „Blueberry Fiasco in Sweden 2009“, das die Umstände erläutert, unter denen sich ThailänderInnen für die Beerenernte in Schweden und Finnland anwerben lassen. Eine dem Video zufolge schon jahrelang praktizierte Form der Saisonarbeit, bei der am Ende ein minimaler willkommener Überschuss auch für die ArbeitsmigrantInnen heraussprang, die jedoch dann – dem Video zufolge – 2009 aus dem heiklen Gleichgewicht geriet, weil noch mehr Hyänen noch mehr Profit daraus schlagen wollten.

Der Artikel deutet an, dass immer noch BeerenpflückerInnen aus Thailand nach Schweden reisen. Gern wüsste frau jetzt mehr über die aktuelle Situation, gibt es im EU-Land Schweden Bemühungen um die Regulierung der ausbeuterischen Praktiken, wer profitiert konkret davon? Gibt es in Schweden zivilgesellschaftliche Aufmerksamkeit für diese moderne Form von Sklavenarbeit? Kümmern sich die Gewerkschaften darum? SABINE HÜBNER, Berlin

Antwort aus Berlin

■ betr.: „Hallo, Berlin, ist da jemand?“, taz, 22. 8. 12, Leserinbrief zu „Kandidatenflut für Wahlkampf bei den Grünen“, taz, 20. 8. 12

Liebe Stephanie Otto, ich habe deinen Leserbrief in der taz gelesen und möchte dir gerne darauf antworten. Denn tatsächlich habe ich aus meinen zahlreichen Gesprächen den Eindruck, dass eine Urwahl von sehr vielen bei uns kritisch oder zumindest zwiespältig gesehen wird. Der Tenor ist: Man sollte die ganze Energie statt in einen innerparteilichen Wahlkampf doch lieber nach außen, gegen die politischen Gegner richten. Ich persönlich sehe das auch so, nicht zuletzt, weil für unsere Wählerinnen und Wähler Inhalte sowieso viel wichtiger sind als Personen. Damit will ich der Basis aber keineswegs die Lust auf Mitbestimmung nehmen – ganz im Gegenteil: Ich wünsche mir eine gemeinsame kontroverse und konstruktive Programmdebatte für das Wahlprogramm 2013!

Übrigens habe ich von Anfang an gesagt, dass ich – wenn es dazu kommt – bei einer Urwahl antreten will. Dazu gehört selbstverständlich auch, dass ich mich in der Provinz vorstelle, schließlich lebe ich selbst dort, wenn ich nicht gerade in Berlin bin.

KATRIN GÖRING-ECKARDT, MdB, Berlin

Deutschland blockiert

■ betr.: „Abkommen ohne Chance“, taz vom 23. 8. 12

„Die beste Lösung wäre ein vollständiger Informationsaustausch zwischen beiden Ländern“, so Carsten Kühl. Diese „beste Lösung“ sollte EU-weit eingeführt werden, und seit 2008 liegt ein entsprechender Entwurf für die Überarbeitung der EU-Zinsrichtlinie vor. Aber Deutschland hat das bisher blockiert, auf dessen Drängen wurde es erst gar nicht behandelt. Anstatt auf ein wirksames und transparentes Instrument zur Bekämpfung der Steuerflucht hinzuarbeiten, setzt der Bundesfinanzminister weiter auf sein bilaterales Abkommen, um die Anonymität der deutschen Steuerflüchtlinge in der Schweiz zu bewahren. Hier sollte die Opposition ansetzen und auf eine EU-weite Zinsrichtlinie drängen und das bilaterale Steuerabkommen weiter konsequent ablehnen.

HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel

Empathie ist unbestechlich

■ betr.: „Das totale Kindeswohl“, taz vom 25. 8. 12

Zwar mag man, wie Christian Rath dies in ironischer Form tut, berechtigterweise fragen, wo die Grenze des Kindern Zumutbaren beginnt und aufhört. Eine konflikt- und schmerzfreie Kindheit gibt es nicht. Wieso aber ist eine Ohrfeige zur Durchsetzung vermeintlich hehrer pädagogischer Ziele verboten, das Ohrlochstechen zur Befriedigung des elterlichen Narzissmus hingegen nicht? Es ist doch höchst erstaunlich, wie in der gesamten bis zum Exzess intellektualisierten und zum Teil ideologisch aufgeladenen Diskussion um die Beschneidung etwas eigentlich uns zutiefst innewohnendes verleugnet wird: die Empathie!

Empathie verbietet Ohrfeigen. Empathie verbietet Beschneidung zur Durchsetzung der Interessen Erwachsener. Empathie ist unbestechlich. Empathie als eine wesentliche Säule ethischen Urteilens und politischen Handelns stünde uns besser zu Gesicht, als explizit juristische und kirchenrechtliche Erörterungen! DIRK STILKE,

Kinder- und Jugendpsychiater, Psychotherapeut, Heide

Ein bereichernder Einblick

■ betr.: „Der menschliche Faktor“ von G. Goettle, taz vom 27. 8. 12

Ich habe gerätselt, welche Motivation hinter der Veröffentlichung dieses fast schon literarisch geschriebenen Texts steht – manche Formulierungen könnten glatt als Stilmittel durchgehen. Gleichzeitig wirkt der Text genau dadurch so spontan, nah und authentisch. Ein bereichernder Einblick, der eben durch seine unkonzentrierten Abschweifungen enorm gewinnt. Auch gefiel mir, dass die Autorin sich traut, bestimmte Gruppen verallgemeinernd zu beschreiben. Damit macht sie sich natürlich angreifbar, aber so lassen sich dem Leser existierende Unterschiede am klarsten beschreiben. Alles in allem enthielt dieser Text mehr Information, als manches auf der Titelseite angekündigte „Schwerpunktthema“. TH. KLEIN, Aachen