leserinnenbriefe
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Geschichtsklitterung fortgesetzt

■ betr.: „Der Stein des Anstoßes“, taz vom 30. 9. 09

Es ist schön, dass in der taz ausführlich [zum Gedenken an die Opfer des Kolonialismus in Namibia, d. Red.] berichtet wird. Es ist allerdings ärgerlich, wenn der Artikel die Geschichtsklitterung fortsetzt. Es heißt dort: „Die Überlebenden flüchteten in die Omaheke-Wüste …“ Das klingt, als hätten sie eine Wahl gehabt. Richtig ist, dass die deutschen Kolonialtruppen die Überlebenden bewusst und planmäßig in die Wüste trieben. Das Verdursten von Zehntausenden wurde nicht billigend in Kauf genommen, es war beabsichtigt. PETER SINRAM, Berlin

Es wird dreist gespart

■ betr.: „S-Bahn hat ’ne Schraube locker“, taz vom 17. 9. 09

Das dreiste Vorgehen der Berliner S-Bahn hat einen ungeheuren Verdienst: Bevor jemand zu Schaden gekommen ist, wurde klar, dass die Börsengangoptimierungen des Herrn Mehdorn und Konsorten (Tiefensee, CDU, SPD) nicht dem Kunden dienen, sondern allein dem Finanz„markt“. In anderen Ländern (Großbritannien) sind seinerzeit Menschen nach der Privatisierung in Unglücken gestorben. Nicht nur der S-Bahn-Chef, auch Mehdorn und vor allem seine Auftraggeber müssten wegen Gefährdung des Schienenverkehrs drangekriegt werden.

Die Berliner S-Bahn ist kein Einzelfall: In NRW fahren im Herbst hochmoderne Bummelzüge, weil die Strecken zu glatt sind: Erst jetzt denkt man über Nachrüstung mit Bremssandkästen nach, Technik, die hier jede Straßenbahn seit Jahrzehnten hat, aber wohl bei der Bestellung der Züge eingespart wurden. Und die ICEs haben Achsenprobleme. Auch der ICE-Unfall von Eschede sollte unter diesem Aspekt neu betrachtet werden.

Alles typische Symptome einer Privatisierung. Denn privat ist nicht per se günstiger, es wird nur dreister gespart. Die Bahn muss öffentliches Eigentum bleiben, die Privaten können es gar nicht. Und vor allem: Man muss das Ganze jetzt stoppen, denn wenn die Heuschrecken die Bahn erst mal ausgeplündert haben und man alles später zurückkaufen muss (wie in Neuseeland), wird man noch ein zweites Mal bezahlen. THOMAS KELLER, Königswinter

Langweiliges Lamento

■ betr.: „Großes Spektakel“, taz vom 5. 10. 09

Man kann ja von dem Medienhype denken, was man will, aber kein Mensch wurde gezwungen, sich das Getümmel anzutun (außer vielleicht Herr Kuhlbrodt?). Mal abgesehen davon, dass die Bewegung der Puppen und der koordinierte Einsatz der „Lilliputaner“ beeindruckend und schön anzusehen waren, der bemühte Vergleich mit einer angebeteten Monstranz („Glühbirne“, „Penis“) ist albern. Da hat einer den andern den Spaß und die Freude nicht gegönnt.

JOHANNA GUTSCHE, Berlin

Eine Zierde vieler Demos

■ betr.: Die sozialistische Sesamstraße“, taz vom 6. 10. 09

Was der Autor nicht so deutlich herausstellt, ist, dass eine Lifeband (langjähriger verdienstvoller Musikschreiber und Gitarrist der ersten Jahre: Birger Heymann) von Anfang an zum Grips-Markenzeichen gehörte und beträchtlichen Anteil am Erfolg des Theaters hatte. Der „Urknüller“ und Knaller aller Songs ist aber dieser aus dem Hausbesetzerstück „Balle, Malle, Hupe und Artur“ von 1971: Einer ist keiner / Zwei sind mehr als einer / Sind wir aber erst zu dritt / Machen alle andern mit! (Rhythmisch begleitet von Gitarre, Hupe, Trillerpfeife und Fahrradklingel) Das Lied wäre noch heute eine Zierde vieler Demos!

Als es einige Jahre später dann ja tatsächlich zu einer breiten Hausbesetzerbewegung kam, hätte ich mir eine Wiederaufnahme des Stücks sehr gewünscht, zumal es von mehreren Ensemblemitgliedern geschrieben wurde, also eine der wenigen echten Gemeinschaftsproduktionen war! Das Stück war so erfolgreich, dass es sogar vom Fernsehen aufgenommen und mehrmals ausgestrahlt wurde. DAGMAR DORSTEN, Koautorin und frühe Grips-Schauspielerin