brief des tages
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Die verlorene Pimmel-Ehre

„Femizide sind kein ,Drama‘“, taz vom 8. 10. 19

Femizid als Bezeichnung des Doppelmordes in Göttingen und des fünffachen Mordes in Kitzbühel ist gewiss treffend. Allerdings sind drei der fünf Opfer in Kitzbühel Männer. Könnte es nicht sein, liebe Frau Schwarz, dass Sie diese Morde etwas zu sehr aus femininer Perspektive sehen? Was wäre denn, wenn die Täter Moslems gewesen wären? Dann wäre in allen Medien nur von „Ehrenmorden“ die Rede. Doch, um an eine Novelle Friedrich Schillers zu erinnern: Kann ein Christ kein „Verbrecher aus verlorener Ehre“ sein? Warum sollten sich die beiden Pimmeligen nicht in ihrer Ehre verletzt gefühlt haben? Der in Göttingen war abgewiesen worden, der in Kitzbühel war von seiner jungen Freundin durch einen anderen ersetzt worden. Beide werden in ihrer Pimmel-Ehre aufs Tiefste verletzt gewesen sein. Und – wie man es Moslems unterstellt – „mussten“ sie ihre verletzte Ehre wiederherstellen. Leider durch Morde. Ihre Beobachtung zum Eiertanz im Sprachgebrauch der Medien ist vorzüglich. Aber „Ehrenmorde“ von Männern an Frauen oder Mädchen sind auch immer Femizide; auch umgekehrt, selbst wenn es ein Nicht-Moslem war. Klaus Sommer, Göttingen