Anarchie und Alltag bei der Wahlalternative

Zusammenarbeit zwischen Linkspartei/PDS und Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) funktioniert in den meisten Ortsverbänden gut. WASG-Rebellen vom „Leverkusener Kreis“ warten mit Verschwörungstheorien auf

DÜSSELDORF taz ■ Wenige Wochen nach der Entscheidung für ein neues Linksbündnis arbeiten Linkspartei/PDS und Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) in vielen NRW-Kommunen bereits eng zusammen. Die Aufstellung der Direktkandidaten für die geplante Bundestagswahl am 18. September läuft meist reibungslos, in zahlreichen Städten machen PDSler und WASG-Aktivisten gemeinsam Wahlkampf. Ein Linkspartei-Sprecher bestätigte gestern auf taz-Anfrage Mitgliederzuwächse im bevölkerungsreichsten Bundesland. Die PDS habe in den letzten zwei Monaten knapp 200 Mitglieder hinzugewonnen.

Während es in anderen Bundesländern heftige Auseinandersetzungen um die Besetzung der Landesreservelisten für die Wahl im Herbst gab, verlief die Nominierung der NRW-Kandidaten Ende Juli und Anfang August in Essen eher ruhig (taz berichtete). Auch an der Parteibasis kooperieren die linken Partner: In Borken, Coesfeld, Dinslaken, Essen, Mülheim und Duisburg organisieren WASG und Linkspartei/PDS regelmäßige Infostände vor der Wahl. Am vergangenen Wochenende trafen sich in Köln 15 Jugendliche, um über die Gründung eines linken Jugendnetzwerks zu beraten. Über die Unterstützung des Wahlkampfes von WASG und Linkspartei hinaus soll „eine Möglichkeit geschaffen werden, Jugendliche gegen den Sozialabbau zusammen zu bringen“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Eingeladen hatten junge Mitglieder der Kölner WASG sowie des Linkspartei-Jugendverbands [‘solid]. Unterdessen rief gestern der Bochumer Opel-Betriebsratschef Rainer Einenkel zur Wahl der Linkspartei auf. Der Arbeitnehmervertreter gehört zu den Erstunterzeichnern eines Aufrufes von Gewerkschaftern zur Wahl der umbenannten PDS.

Während die meisten Mitglieder von Linkspartei und WASG mit dem Wahlkampf-Alltag beschäftigt sind, finden besonders im hochintriganten Mittelbau der Wahlalternative weiterhin Kleinkriege statt, die an die Gründungsphase der neuen Partei erinnern. So warfen WASG-interne Gegner des Ex-Landeschefs Hüseyin Aydin dem Duisburger Gewerkschafter Eigenmächtigkeit und Verschwendung vor. Aydin habe einen für die WASG ungünstigen Agenturvertrag für den Landtagswahlkampf durchgedrückt. „Diese Vorwürfe sind unberechtigt“, sagt WASG-Sprecher Murat Cakir. Aydin habe den Vertrag in Absprache mit Bundesvorstandsmitgliedern abgeschlossen.

Ein bizarres Eigenleben hat der so genannte „Leverkusener Kreis“ entwickelt, ein WASG-interner Zirkel von militanten PDS-Gegnern. Zwar hat der anarchisch-chaotische Freundeskreis – auch innerhalb der „Leverkusener“ soll es verfeindete Grüppchen geben – alle wichtigen demokratischen Abstimmungen auf WASG-Parteitagen und bei einer Mitgliederbefragung haushoch verloren, doch ihre Widerstandsarbeit setzen die Hobby-Politiker fort. „Die haben viel Freizeit und versorgen konservative Medien mit angeblich brisantem Material gegen die Parteiführung“, lästert ein Gründungsmitglied der WASG.

Höhepunkt der Desinformationspolitik: Der Kreis versuchte aus alten Strategiepapieren der PDS-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung die krude Verschwörungstheorie herauszulesen, wonach hinter der WASG-Gründung die zuvor im Westen erfolglose PDS gesteckt habe. Weil mehrere „Leverkusener“ angeblich innerhalb der WASG die Gründung einer neuen Mini-Partei vorbereiten, prüft der Bundesvorstand der Wahlalternative nun Parteiausschlussverfahren gegen Mitglieder der Politgang.

MARTIN TEIGELER