Vom Antidrogenkrieg zum Antiterrorkrieg

USA hofieren Kolumbien. Demgegenüber kündigt Venezuela die Zusammenarbeit mit der US-Drogenbehörde DEA auf

PORTO ALEGRE taz ■ „Unsere zwei Nationen arbeiten beim Kampf gegen Drogenhandel und Terrorismus zusammen“, verkündete US-Präsident George W. Bush, nachdem er Kolumbiens Staatschef Álvaro Uribe unlängst auf seiner Farm in Texas empfangen hatte. Für die „umfassende Strategie“ Plan Colombia stellte er weitere Mittel in Aussicht. Seit 1999 hat Washington dafür vier Milliarden Dollar ausgegeben, 80 Prozent als Militärhilfe. „Der Terrorismus ist der große Feind der kolumbianischen Demokratie“, dozierte Uribe.

Über die Erfolge ihres „Antidrogenkriegs“ schwiegen sich die beiden Präsidenten auf ihrer Pressekonferenz wohlweislich aus. Anfang August hatte US-Außenstaatssekretär Nicholas Burns eingeräumt, dass weiterhin über 90 Prozent der Kokain- und die Hälfte der Heroinimporte aus Kolumbien stammen. Doch seit 2001 habe sich die Koka-Anbaufläche um ein Drittel verringert, behauptete Burns.

„Alles deutet darauf hin, dass sich weder an der Menge des produzierten Kokains noch an der Nachfrage etwas Grundlegendes geändert hat“, hält der ehemalige Regierungsberater und profilierte Militärexperte Alfredo Rangel dagegen. Dem jüngsten UNO-Drogenbericht zufolge sei die Anzahl der Kokser weltweit von 13 auf 13,7 Millionen gestiegen, sagt Rangel. „Wenn die Nachfrage steigt und das Angebot sinkt, müssten die Preise steigen – doch das ist nicht der Fall.“

Auch das Besprühen der Kokapflanzungen mit Pflanzengift ist für Rangel wenig effektiv, „ganz zu schweigen von den politischen, sozialen und ökologischen Aspekten“. Er macht eine einfache Rechnung auf: „2004 wurden nach offiziellen Angaben 130.000 Hektar Koka besprüht, und die Anbaufläche ging um 6.000 Hektar zurück.“ Folglich müssten zur Vernichtung eines Hektars Koka 22 Hektar besprüht werden. Bei der derzeitigen Gesamtfläche von mindestens 80.000 Hektar wären das also 1,7 Millionen Hektar – mehr als die Fläche Thüringens. Rangel: „Das ist vollkommen irrational.“ Nichtsdestotrotz wollen die angeblichen Drogenkämpfer an ihrem Kurs festhalten. Der republikanische Senator Dan Burton hat soeben eine weitere Finanzspritze von 147 Millionen Dollar für die Ausweitung der Bespühungen beantragt.

Kritiker in Kolumbien und den USA selbst vermuten schon lange, dass der längst gescheiterte Kampf gegen den Rauschgifthandel nur ein Deckmantel für die weitere Militarisierung des Andenraums ist.

Auf der diskursiven Ebene finde eine langsame Verschiebung vom „Antidrogenkrieg“ hin zum „Antiterrorkrieg“ statt, diagnostiziert der Forscher Adam Isacson vom „Center for International Policy“ in Washington. Und für Álvaro Uribe sind die Farc-Guerilleros schlicht „Narcoterroristen“.

Allerdings gibt es nur in Kolumbien und vereinzelt in Peru irreguläre Kämpfer. Jüngste Äußerungen aus Washington belegen, wer der Bush-Regierung vor allem ein Dorn im Auge ist: Venezuelas Staatschef Hugo Chávez, der unermüdlich und selbstbewusst seine Gegenvisionen für die Region propagiert. Der Linksnationalist finanziere mit seinen Petrodollars „antidemokratische Gruppen in Bolivien, Ecuador und anderswo“, hieß es vergangene Woche aus dem US-Außenministerium. Venezuela habe auch die Farc mit Waffen beliefert, behauptete Staatssekretär Burns auf Nachfrage. Sprecher Tom Casey sagte, die angeblichen Beweise gegen Chávez könne man jedoch leider nicht vorlegen, das seien Geheimdienstinformationen.

Im Gegenzug kündigte Venezuela die Zusammenarbeit mit der US-Antidrogenbehörde DEA auf. DEA-Agenten hätten den Drogenhandel gefördert und sich an Spionageaktionen gegen seine Regierung beteiligt, so Chávez. GERHARD DILGER