Das Ende kommt mit der Miete

Der Künstlerhof Sillemsalabim soll privatem Wohnungsbau weichen. Die Mieter*innen protestieren, die Grünen solidarisieren sich. Trotzdem kam bereits die erste Mieterhöhung

Blick aus dem Fenster: Areal in der Sillemstraße Foto: Künstlerhof Sillemsalabim/Instagram

Von André Zuschlag

Einem weiteren Ort für Künstler*innen und Anwohner-*innen in Hamburg droht das Aus: Der Künstlerhof „Sillemsalabim“ in Eimsbüttel soll Platz für privaten Wohnungsbau machen. Bereits im März müssen die ersten Künstler*innen ausziehen.

Ein paar Äpfel hängen noch an den kleinen Bäumen in den Kübeln, die auf dem Asphalt stehen. Die Blätter der Birken in der Nähe sind schon gelb. An den Türen zu den Werkstätten und Ateliers in der Sillemstraße verbleichen die Plakate vergangener Ausstellungen. Der Sommer hat sich dem Ende zugeneigt – und so könnte es auch bald mit diesem Ort geschehen.

Auf dem Gelände des ehemaligen Schrotthandels haben sich im Laufe der vergangenen 13 Jahre dutzende Künstler*innen versammelt und die Hallen zu ihren Ateliers und Werkstätten umfunktioniert. Damit haben sie gleichzeitig einen Anlaufpunkt für die Nachbarschaft geschaffen. Doch nach dem Willen des Investors sollen die Gebäude aus der Gründerzeit abgerissen werden, um Platz für Wohnungen zu machen.

„Die Politik muss eingreifen und diese Freifläche erhalten“, fordert Nadine Faulhaber. Sie wohnt und arbeitet als Grafikerin und Illustratorin seit zehn Jahren auf dem Künstlerhof.

Die Mieter*innen der einen Gebäudehälfte müssen bereits im kommenden März ausziehen. Faulhaber und die Mieter*innen der anderen Gebäudehälfte haben zwar noch einen gültigen Pachtvertrag bis 2026 – doch ob sie bis dahin bleiben können, ist fraglich. Der Eigentümer habe schon angedeutet, dass er die Mieter*innen lieber heute als morgen loswerden möchte. „Wir haben bereits eine erste Mieterhöhung bekommen, nachdem wir unser Problem öffentlich gemacht haben“, sagt Faulhaber.

Der Eigentümer verweist allerdings darauf, dass das „Sillemsalabim“ nicht für Renditezwecke weichen solle. Gegenüber dem NDR teilten seine Anwälte mit: „Mittelfristig kann die alte Gebäudesubstanz aufgrund ihres baulichen Zustandes nicht erhalten bleiben. Für die entsprechende zukünftige Nutzung plant unsere Mandantin in dem dortigen Milieuschutzgebiet den Neubau von dringend benötigtem bezahlbarem Wohnraum für Familien.“ 35 bis 40 Wohnungen könnten dadurch entstehen.

Ali Mir Agha von den Grünen, die im Bezirk Eimsbüttel vor zwei Wochen einen Koalitionsvertrag mit der CDU geschlossen haben, will sich für den Künstlerhof einsetzen: „Wir würden es begrüßen, wenn die Finanzbehörde dort ihr Vorkaufsrecht nutzt“, sagt der Abgeordnete.

Bei der Finanzbehörde heißt es gegenüber der taz derzeit jedoch lediglich, dass sie sich „mit besagtem Flurstück nicht befasst“.

Der Eigentümer verweist darauf, dass das Sillemsalabim nicht für Renditezwecke weiche – sondern für bezahlbaren Wohnraum

Dabei betonen die Künstler*innen im „Sillemsalabim“, dass ihr Problem nur beispielhaft für die Entwicklung in der gesamten Stadt sei. „Wir sind ein Exempel, denn man stellt fest, dass viele andere Kulturräume dieselben Probleme haben“, sagt Faulhaber.

Tatsächlich erinnert der Fall an den Werkhof in der Bernstorffstraße 117 auf St. Pauli. Auch dort befürchten die langjährigen Mieter*innen – Gewerbetreibende und Künstler*innen – die Verdrängung und den Verlust eines Nachbarschaftstreffpunkts. Nachdem Investoren das Areal, in dem rund 110 Menschen arbeiten und wohnen, gekauft hatten, erhöhten sie voriges Jahr die Miete. Dabei sind die Gebäude, wie in der Sillemstraße, ebenfalls mehr als hundert Jahre alt. „Wir sehen uns als kleine Schwester der Bernie“, sagt Faulhaber deshalb.

Mit der Initiative „Viva la Bernie“ versuchten die vielfach seit Jahren dort tätigen Mieter*innen, das Areal den Investoren abzukaufen, um die Immobilie in die Selbstverwaltung zu überführen und vom Markt zu nehmen.

Doch daran hatten die Investoren kein Interesse, boten stattdessen langfristige Verträge zu „ortsüblichen“ Mietpreisen an und ließen auch bekanntgeben, dass sie über eine Nachverdichtung des Areals nachdachten. Das zumindest ein Abriss des Geländes derzeit vom Tisch ist, macht die dortigen Mieter*innen nur begrenzt zufrieden. Sie fürchten durch stetig steigende Mieten weiterhin einen Tod auf Raten.