ALTE BEKANNTE
: Eine Murmel, bitte

Kommt mir ein bisschen teuer vor, ist aber schon okay

Lichterfelde West ist für mich wie eine alte Bekannte, die ich nicht mehr anrufen würde. Aber wenn wir uns treffen, dann unterhalten wir uns trotzdem. Ganz freundlich eigentlich. Ich habe da mal gewohnt in der Nähe, also eigentlich in Zehlendorf, aber in dem Teil von Zehlendorf, der so aussieht wie Lichterfelde West.

Heute laufe ich hier mal wieder entlang und höre einen Rasensprenger. Dieses Geräusch – lange nicht gehört. Wie eine Klapperschlange. Neben der Hecke ist eine Stelle feucht, und ich stelle mich dahin, um etwas Regen abzubekommen. Aber es kommt nichts. Die Villa dahinter ist ziemlich groß. Wenn ich solche Häuser sehe, hoffe ich manchmal, dass jemand da rauskommt und mir Geld schenkt, einfach so. Es stört die Bewohner dort bestimmt nicht, dass es so viel Ungerechtigkeit gibt und die soziale Schere und diese ganze kapitalistische Scheiße, aber dass an meinem iPhone das Display an ein paar Stellen nicht mehr richtig funktioniert, finden die bestimmt ziemlich schlimm.

Ein paar Straßen weiter sitzen zwei kleine blonde Jungs, vielleicht vier und sechs Jahre alt, vor einem Tischchen. „Möchten Sie etwas kaufen?“, fragen sie mich. „Was habt ihr denn so im Angebot?“, sage ich. Sie haben: zwei Taubenfedern (jeweils 20 Cent), kleine Gummibärchentüten (auch 20 Cent), eine Schachtel mit verschiedenen Murmeln (zwischen 50 Cent und 1 Euro). Außerdem einen selbst gebastelten Igel aus Ton, mit Strohhalmstacheln.

„Der kostet 3 Euro, oder nee, 7“, sagt der größere Junge. „Und hier sind noch zwei Schätze“, sagt der kleinere und zeigt auf zwei gelbe Glassteine, die ein bisschen aussehen wie platte Murmeln, „1 Euro, jeweils.“ – „Nee, 5!“, sagt der größere. „Ja, 5“, sagt der kleinere. Ich nehme eine durchsichtige Murmel mit Glitzer für 1 Euro. Kommt mir ein bisschen teuer vor, aber das ist schon okay.

MARGARETE STOKOWSKI