Antisemitische Angriffe in Deutschland: Die lange Spur des Judenhasses

Antisemitische Angriffe sind in der Bundesrepublik alltäglich. Schon vor 49 Jahren starben Menschen bei einem Anschlag auf ein Gemeindezentrum.

Brennender Dachstuhl und Feuerwehrmann auf einer Leiter

13.2.1970: Feuerwehreinsatz nach einem Brandanschlag in der Israelischen Kultusgemeinde München Foto: dpa

BERLIN taz | Es geschah an einem Sabbatabend zwischen 20.40 und 20.55 Uhr im Vorderhaus des jüdischen Gemeindezentrums von München in der Reichenbachstraße 27. Die Täter schütteten im Treppenhaus großflächig Benzin aus. Dann zündeten sie den Brand. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich etwa 50 Menschen in dem Gebäude.

Den meisten gelang es trotz des sich rasch ausbreitenden Feuers das Haus zu verlassen. Doch sieben Bewohner des jüdischen Altersheims, das in dem Gebäude untergebracht war, starben. Sie erstickten oder verbrannten im Feuer. Einer starb beim Sprung aus dem vierten Stockwerk.

Das Attentat vom 13. Februar 1970 war, so schreibt es der Politikwissenschaftler Wolfgang Kraushaar, die erste Terroraktion in der Bundesrepublik, bei der Todesopfer zu beklagen waren. Es waren gewiss nicht zufällig Juden, darunter zwei Holocaust-Überlebende, die dabei umkamen. Der oder die Täter wurden nie gefasst. Manches spricht dafür, dass er oder sie aus dem linksradikalen Spektrum stammten, doch sicher ist das keineswegs. 2017 wurden die Ermittlungen ergebnislos eingestellt.

Mehr als tumbe Neonazis

Die Tat von 1970 ist heute vergessen. Doch sie reiht sich ein in antisemitische Angriffe auf jüdische Einrichtungen, die in der Bundesrepublik seit Jahrzehnten zu beobachten sind. Es begann schon 1959, als Unbekannte die Synagogen von Düsseldorf und Köln mit Hakenkreuzen beschmierten und dazu schrieben: „Deutsche fordern: Juden raus!“

Es waren nicht nur tumbe Neonazis, die da agierten, sondern auch Palästinenser und selbst ernannte Linke wie die Gruppe Tupamaros, die 1969 während einer Gedenkveranstaltung zum Novemberpogrom eine Bombe im jüdischen Gemeindehaus in Westberlin deponierten, die nur wegen eines defekten Zündern nicht hochging. Und es blieb nicht bei den sieben Todesopfern im Münchner Gemeindezentrum. 1980 ermordete vermutlich ein Rechtsradikaler den jüdischen Verleger Shlomo Lewin und seine Lebensgefährtin in Erlangen. Andere Mordanschläge missglückten.

Vor allem Synagogen sind ein bevorzugtes Ziel der Attentäter. Die Liste der Angriffe, verübt vor allem mit Brandsätzen, ist lang. Doch in den letzten Jahren vermehren sich die Anschläge, und getroffen werden nun auch einzelne Juden, die, etwa durch das Tragen einer Kippa, auf der Straße als solche erkennbar sind. So attackierten zwei arabisch sprechende Männer im April 2018 zwei Kippa-Träger in Berlin. Immer wieder werden verbale Beleidigungen von Juden auf der Straße bekannt. In Chemnitz griffen mutmaßlich zehn bis zwölf Rechtsextreme im August 2018 ein jüdisches Restaurant mit Steinen und Flaschen an, der Besitzer wurde leicht verletzt.

Zwar bestätigen Studien, dass die Zahl antisemitisch eingestellter Personen in Deutschland stabil bei zehn bis 15 Prozent bleibt, doch die Hemmschwellen, dieser Gedankenwelt Taten folgen zu lassen, scheinen zu schwinden. Darauf weisen auch die Zahlen hin: Die Polizei registrierte 2018 1.799 judenfeindliche Straftaten – 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Darunter waren 69 Gewaltangriffe.

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