Linkspartei: Löhne rauf

Der deutsche Binnenmarkt muss endlich wieder in Schwung kommen

DIE VORHABEN: „Umverteilung von oben nach unten“ – so umschreiben die Linken zwar nur ihre Steuerpolitik, doch trifft dieser Titel auch auf ihr Arbeits- und Wirtschaftsprogramm zu.

Arbeitslose, Geringverdiener, arme Rentner oder Kranke sollen eine „bedarfsorientierte soziale Grundsicherung“ erhalten. Niemand dürfe weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Haushaltseinkommens haben. Für Alleinstehende seien dies 750 Euro netto im Monat. Diese Forderung ist nicht revolutionär – sie folgt der verbindlichen EU-Armutsdefinition.

Als Einstieg soll das Arbeitslosengeld II auf mindestens 420 Euro in Ost und West angehoben werden. Auch die Wohlfahrtsverbände kritisieren, dass die geltenden 345 Euro im Westen um „ein Fünftel“ zu niedrig seien, um das Existenzminimum zu garantieren. Der Nachschlag würde etwa 4,4 Milliarden Euro kosten.

Aber lohnt sich Arbeit noch, wenn die staatliche Unterstützung großzügiger ausfällt? Auf diesen Einwand haben die Linken eine Antwort: einen gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 1.400 Euro brutto. Schließlich hätten die meisten europäischen Länder längst Mindestlöhne. Im Großbritannien werden umgerechnet 7,27 Euro pro Stunde gezahlt – allerdings liegen die Löhne dank des Booms meist weit höher. In Deutschland hingegen dürfte ein Mindestlohn bedeuten, dass Jobs wegfallen. Berühmt ist das Beispiel der Wachschutzleute, bei denen es sich lohnen könnte, sie durch Kameras zu ersetzen. Inzwischen ist daher bei den Linken auch schon ein Streit um die Mindestlöhne entbrannt: Spitzenkandidat Lafontaine peilt nur noch 1.250 Euro an.

Um Jobs zu schaffen, will die Linke die Nachfrage und das Wachstum fördern. Die Löhne sollen mindestens so stark wie Produktivität und Inflation steigen. Gleichzeitig sollen die öffentlichen Investitionen in Bildung, Pflege, Kultur, Umweltschutz und Verkehr zunehmen. Selbst Neoliberale bestreiten nicht, dass der Bund zu wenig investiert und damit langfristig den Standort Deutschland gefährdet.

DIE AUSWIRKUNGEN: Inzwischen hat sogar das neoliberale Ifo-Institut bemerkt, dass der deutsche Binnenmarkt gestärkt werden muss. Insofern setzen die Linken bei der Nachfrage richtig an. Allerdings dürfte es illusorisch sein, auf steigende Löhne zu hoffen – wie bereits viele Tarifrunden gezeigt haben. Die einzige Chance ist, den Staat mit mehr Geld auszustatten, um notwendige Investitionen vorzunehmen.

DIE FINANZIERBARKEIT: Die Linken sind langfristig für eine Wertschöpfungsabgabe: Nicht mehr die Lohnsumme soll entscheiden, wie viel ein Unternehmen in die Sozialkassen zahlt – sondern die „reale wirtschaftliche Leistungsfähigkeit“. Diese Formulierung ist erstaunlich vage. Zunächst erinnert sie an das alte Projekt der Maschinensteuer. Der Einwand ist ebenso alt: Eine solche Abgabe würde Investitionen bestrafen, von denen jedoch die Wirtschaftskraft Deutschlands abhängt. Sollte hingegen gemeint sein, dass die Unternehmensteuern steigen sollen – so wäre dagegen nichts zu sagen. Momentan zahlen die Firmen real höchstens etwa 13 Prozent Steuern auf ihren Gewinn.

Zudem will die Linkspartei die Einkommensteuer wieder reformieren. Sie soll mit einem Satz von 15 Prozent beginnen und bei 50 Prozent enden. Dieser Spitzensteuersatz würde bei einem Jahreseinkommen ab 60.000 Euro erhoben. Der Freibetrag würde von jetzt 7.664 auf 12.000 Euro erhöht. Die Vermögensteuer würde ab 300.000 Euro fällig. 60 Milliarden Euro will die Linkspartei damit zusätzlich einnehmen. Das dürfte realistisch sein: Genauso viel haben die rot-grünen Steuergeschenke gekostet. ULRIKE HERRMANN