die woche in berlin
: die woche in berlin

In der Diskussion um den Mietendeckel hat sich der Regierende als Bremser eingemischt, beschlossen ist aber noch gar nichts, bei den Lehrkräften will die SPD-Fraktion dagegen auf die Verbeamtung als Lockmittel setzen, und beim Großflughafen spricht man, ja, mit aller Zuversicht von Erfolgen und einer Eröffnung

Viel zu früh, um sich zurückzulehnen

Ein wirksamer Mietendeckel ist noch nicht beschlossen

Was wurden in den letzten Wochen schon für ideologische Schlachten um den Mietendeckel geschlagen. Der Deckel bringt den Kommunismus, lautet zugespitzt die These, über die das eine Lager in den düstersten Tönen verzweifelt und das andere Lager in den hellsten Tönen frohlockt. Unrecht haben beide. Denn der Deckel bringt ganz sicher nicht den Kommunismus – genau genommen ist noch lange nicht klar, was er überhaupt bringt.

Denn auch wenn das in vielen Titelzeilen der vergangenen Wochen anders klang: Beschlossen ist praktisch noch gar nichts. Der Senat hat sich bislang lediglich auf Eckpunkte geeinigt. Die konkreten Inhalte, über die seit Wochen diskutiert wird, stammen nach wie vor aus einem Referentenentwurf der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung – einem Entwurf, der auf Grundlage von Diskussionen innerhalb der Regierungskoalition angepasst wurde, aber ein Entwurf.

Der Senatsbeschluss zum Thema ist für den 15. Oktober geplant. Es ist zu erwarten, dass dort ein Gesetzesentwurf beschlossen wird, den man Mietendeckel nennt. Aber ob es sich dabei dann tatsächlich um ein wirksames Instrument handelt, das einem relevanten Teil der Berliner Mieter:innen zugutekommt, ist alles andere als ausgemacht.

SPD-Mann Michael Müller, immerhin Regierender Bürgermeister dieser Stadt, hat vergangenes Wochenende erst in einer Fernsehtalkshow verkündet, von einem Mietendeckel, mit dem sich Mieten auch senken lassen – einem zentralen Element des jetzigen Entwurfs –, halte er gar nichts. Schon jetzt würden, wie der Stadtforscher Sigmar Gude diese Woche vorgerechnet hat, vermutlich nur etwa 10 Prozent der Mieter:innen von der Absenkungsoption profitieren können.

In trockenen Tüchern ist jedenfalls noch nichts. Das Problem: Es geht nicht nur darum, dass vielleicht wenig besser wird. Es könnte sogar schlechter werden.

Denn was ist der politische Entstehungshintergrund des Mietendeckels? Die seit Jahren wachsende Wut der Mie­ter:in­nen dieser Stadt, die zuletzt in einer überragenden Zustimmung gipfelte zu der Idee, Immobilienkonzerne zu enteignen. Die Diskussion über den Mietendeckel hat die über Enteignung in den letzten Wochen verdrängt. Wenn es ganz schlecht läuft, stehen die Mieter:innen am Ende mit einem letztlich zahnlosen Mietendeckel da, der dem Enteignungs-Volksbegehren aber trotzdem erst mal den Wind aus den Segeln genommen hat. Zu pessimistisch? Man sollte nicht vergessen, wie eng die Stadtentwicklungspolitik auch in Berlin mit den Interessen von Immobilienkonzernen verflochten ist, wie oft hier Entscheidungen gegen die Interessen der Mieter:innen getroffen wurden. Ins Positive gewendet heißt das aber auch: dass sich das Möglichkeitsfenster, die Entwicklungsrichtung des Berliner Mietmarkts und damit der ganzen Stadt wirklich zu verändern, überhaupt geöffnet hat, ist eine nicht zu unterschätzende Chance. Wenn es den Berliner Mieter:innen in diesen entscheidenden Wochen gelingt, den Druck aufrechtzuerhalten, könnten sie tatsächlich einen historischen Sieg erringen. Gelegenheit dafür ist bei der großen Mietendemonstration am 3. Oktober – sich siegesgewiss zurückzulehnen, dafür ist es noch viel zu früh. Malene Gürgen

das interview

Es geht nicht nur darum, dass vielleicht wenig besser wird. Es könnte sogar schlechter werden

Malene Gürgen über die Diskussionen rund um den Mietendeckel

Keine Antwort auf den Mangel

SPD-Fraktion will LehrerInnen wieder verbeamten

Die SPD-Fraktion hat sich entschieden: LehrerInnen in Berlin sollen wieder verbeamtet werden. Nun klingt so ein offizieller Fraktionsbeschluss zwar nach mächtig viel Tatkraft, tatsächlich ist es aber nicht mehr als eine Willensbekundung – und ob die Basis beim Landesparteitag Ende Oktober dem am Dienstagabend beschlossenen Wunsch der Fraktion folgt, ist noch längst nicht ausgemacht.

Beim letzten Showdown um die Verbeamtungsfrage auf dem Parteitag im Frühjahr konnten sich die GenossInnen lediglich dazu durchringen, eine Entscheidung auf den Herbst zu vertagen und einen Prüfauftrag an die Finanzverwaltung zu stellen. Die Frage: Könnte man die finanziellen Nachteile, die angestellte LehrerInnen gegenüber verbeamteten KollegInnen haben, vielleicht auch durch tarifliche Zulagen auffangen? Denn dass die Rückkehr zur Verbeamtung eine teure Angelegenheit würde – Stichwort zukünftige Pensionslasten – hat Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) bereits deutlich gemacht. Die Gewerkschaft GEW schätzt, dass eine verbeamtete Lehrkraft nach 30 Jahren Dienstzeit und 20 Jahren Versorgungszeit das Land rund 200.000 Euro mehr kostet als eine angestellte LehrerIn.

Nun sagt die Finanzverwaltung: Nein, man könne die finanzielle Ungleichbehandlung von angestellten und verbeamteten LehrerInnen nicht über Zulagen regeln – das verbiete das Regelwerk der Tarifgemeinschaft der Länder, der auch Berlin angehört. Diese Linie hat Kollatz auch schon vorher vertreten.

Der SPD-Fraktion gibt das nun Munition, eine Rückkehr zur Verbeamtung zu fordern, offenbar getreu dem alten Gewerkschaftermotto „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. Damit mögen sich die GenossInnen bei den angestellten LehrerInnen und vielen Eltern im Lande beliebt machen, die Taten sehen wollen angesichts der endlosen Debatten um QuereinsteigerInnen und Personalproblemen in den Schulen.

Tatsächlich dürfte die SPD aber wissen, dass die Verbeamtung keine Antwort auf dieses Problem ist. Die Rede vom „Wettbewerbsvorteil“, den man sich im bundesweiten Kampf um die Fachkräfte erhofft, ist Quatsch: Ja, es verbeamten bereits alle anderen Bundesländer – und Länder wie NRW und auch Brandenburg haben trotzdem massive Probleme, Stellen zu besetzen oder haben ebenfalls wachsende Quereinsteigerzahlen.

Was helfen würde: eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Schulen, sprich, ganz entschieden mehr Personal ins System zu holen. Also: die Zulassungshürden fürs berufsbegleitende Referendariat weiter abbauen. Das wäre unpopulär, aber richtig und mutig. Dann die Quereinsteigenden vernünftig betreuen – und ihre Ressourcen nutzen, statt sie als LehrerInnen zweiter Klasse behandeln.

Nun regiert die SPD nicht alleine. Mit der Linken ist eine Verbeamtung eh nicht vorstellbar, bei den Grünen wird man sehen. Fraktionschefin Silke Gebel sagte der taz zuletzt im Frühjahr, sie halte es für „total unsolidarisch“, wenn man dem Sozialversicherungssystem eine große Gruppe von überdurchschnittlich Verdienenden entziehe. Auch das ist wahr.

Anna Klöpper

Endlich mal wieder so richtig fertig

Möglicherweise eröffnet der BER eventuell vielleicht bald

Etwas befremdlich anzusehen waren diese Woche die neidischen Blicke nach China. Denn dort hat die Regierung mal eben nach nur vier Jahren Bauzeit den größten Flughafen der Welt hochgezogen. Und sich dann bei der offiziellen Eröffnung über die etwas schleppende und bis dato dreizehnjährige Bauzeit in Berlin lustig gemacht. Deutschland als globale Lachnummer? Das geht natürlich nicht. Beschämend für Deutschland sei das mit Blick auf den BER, kommentierte die Welt.

Ein etwas abstruser Befund angesichts des Umstands, dass der chinesische Großflughafen mit mehr als mit 15 Milliarden Euro mehr als doppelt so teuer war wie der BER und für das chinesische Hauruck-Großprojekt mal eben 20.000 Menschen ihr Zuhause räumen mussten und viele Bauern – immerhin gegen Entschädigungen – ihre Felder und Lebensgrundlage verloren. Von Arbeitsrechten, Umweltvorschriften, Brand- und Klimaschutz mal ganz zu schweigen. Aber immerhin bleibt von der Woche eine Erkenntnis, die wir dem BER zu verdanken haben: Wenn es um Prestigeprojekte und Nationalstolz geht, wünscht sich die Welt offenbar autoritäre Verhältnisse.

Dabei gibt es zumindest im Konjunktiv diese Woche viel Gutes von Berlins bekanntester Baustelle zu berichten: Dem Vernehmen nach nämlich seien diese Woche die komplizierten TÜV-Prüfungen, die sogenannten Wirkprinzipprüfungen, der verschiedenen elektronischen Systeme im Zusammenspiel abgeschlossen. Erstaunlich schnell und reibungslos seien die Tests verlaufen, wie zu hören war. Im Nachgang der Tests wird es wohl noch ein paar Nachbesserungen und wiederum deren technische Abnahme geben, aber man sei im Zeitplan. Und der TÜV soll im ersten Quartal des nächsten Jahres mit allen Nachprüfungen durch sein.

„Der Flughafen wird immer fertiger und fertiger“, hat der gescheiterte Flughafenchef Hartmut Mehdorn einmal unfreiwillig komisch gesagt. Mittlerweile dürfte er recht haben: Denn der von seinem Nachfolger Engelbert Lütke Daldrup mantraartig wiederholte Eröffnungsmonat Oktober 2020 steht. Welcher Tag es denn genau wird, darüber darf weiter spekuliert werden. Der Tagesspiegel las gerade bereits den 4. Oktober 2020 aus dem Kaffeesatz – denn ab diesem Termin sollen laut Verkehrsbetrieben die S-Bahnen in höherer Schlagzahl in Richtung Großflughafen rollen.

Mit Kolportagen, Indizien und Konjunktiv mag also noch ein bisschen weiter spekuliert werden. Zumindest bis Ende November, denn dann will der Flughafenchef endgültig bekannt geben, wann der wirklich-echte-finale Eröffnungstermin denn nun ist. Die taz jedenfalls legt sich hiermit schon jetzt fest: Bis zu den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking können Berliner*innen vom Flughafen BER bestimmt irgendwie bis zum Flughafen Peking PKX fliegen.

Gareth Joswig