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: Auf Drachenjagd

Vor den Play-offs in der Major League Baseball hoffen die Minnesota Twins, dass zumindest der angeschlagene Max Kepler wieder dabei ist

Der Musculus rhomboideus major und sein kleiner Bruder, der Musculus rhomboideus minor, sind zwei Skelettmuskeln. In Minneapolis lernen die Baseballfans gerade, wo der große und der kleine Rautenmuskel liegen: im oberen Rücken nämlich, versteckt unter dem Trapezmuskel. Und wozu man sie braucht: zum Werfen vor allem. Und weil man beim Baseballspielen ziemlich häufig werfen muss, und sich der Linkshänder Max Kepler die Rautenmuskeln unter der linken Schulter gezerrt hat, ist der Baseballfan in Minneapolis gerade etwas nervös.

Schon seit Mitte September laboriert Kepler, der einzige deutsche Profi in der Major League Baseball (MLB), an seiner linken Schulter. Dabei geht es jetzt, nach dem Abschluss der regulären Saison, erst richtig los. Am Sonntag fand der letzte der 162 Spieltage statt, die letzten Play-off-Plätze wurden verteilt, der Berliner aber musste zusehen. Zum Glück waren seine Minnesota Twins schon für die K.o.-Runde, in der der Meister ermittelt wird, qualifiziert. Ab Freitag treffen die Twins auf den Rekordmeister New York Yankees. Wer zuerst drei Spiele gewonnen hat, kommt ins Halbfinale.

Bis zum Freitag, davon gehen die Twins aus, werden sich die beiden Rautenmuskeln wieder beruhigt haben und Kepler wieder dabei sein. „Wir beobachten sehr genau, wie er sich im Training macht“, sagte Trainer Rocco Baldelli und ließ anklingen, dass Kepler wohl durchaus hätte spielen können, wenn es nötig gewesen wäre. Aber der 26-Jährige durfte sich auskurieren, weil sich die Twins den Play-off-Platz vorzeitig gesichert hatten.

Das hatte Minnesota vor allem einer überragenden Offensive zu verdanken, der zweitbesten in der MLB. Die Twins erzielen ihre Punkte vor allem mit Homeruns, mit Schlägen, die gleich in den Zuschauertribünen landen. 307 solcher Homeruns hat das Team aus dem Norden in diesem Sommer gesammelt, ein sagenhafter neuer Rekord. „Sie sind ein Monster“, lobte deshalb Brian Cashman, der Manager der Yankees.

36 dieser Homeruns gingen auf das Konto von Kepler, der vor der Saison einen neuen 35 Millionen Dollar schweren Vertrag unterschrieben hatte und prompt bis zu seiner Verletzung die beste Saison seiner Karriere spielte. Längst hat er sich zum Leistungsträger bei den Twins entwickelt, sein Trikot mit der Nummer 26 gehört zu den häufigsten im Publikum bei den Heimspielen im Target Field, vor dem ein riesiges Plakat mit Keplers Konterfei hängt. Aber nicht nur für die Twins ist Kepler zum Aushängeschild geworden, auch für die Anstrengungen, Baseball in Europa populärer zu machen. Für Jim Small, bei der MLB fürs internationale Geschäft zuständig, sind Spieler wie Kepler, der aktuell erfolgreichste Europäer in der Liga, „der Dünger, der unseren Sport weiter wachsen lässt“.

In der kommenden Viertelfinalserie gegen die Yankees sind die Twins trotz ihres deutschen Stars aber nur Außenseiter. Nicht nur, weil die Mannschaft aus New York nur einen Homerun weniger als Minnesota geschlagen hat, sondern vor allem, weil Kepler nicht der einzige Verletzte ist, um den sich Baldelli Sorgen macht. Auch weitere Leistungsträger wie Marwin Gonzalez, C.J. Cron oder Ehire Adrianza fehlten zuletzt. Außerdem muss Minnesota auf Michael Pineda verzichten: Der zeitweise beste Pitcher der Twins wurde gesperrt, weil er auf ein Diuretikum getestet wurde. Die stehen auf der Dopingliste, weil sie die Harnproduktion erhöhen und so leistungssteigernde Mittel verschleiern können. Der zu Übergewicht neigende Pineda behauptet, ein Diätprodukt sei schuld, muss jetzt aber trotzdem 60 Spiele aussetzen.

Auch die Historie spricht gegen Minnesota. Aus den letzten fünf Begegnungen der beiden Klubs in den Play-offs gingen immer die Yankees als Sieger hervor. Anlass für Dave St. Peter, den Präsidenten der Twins, etwas theatralisch zu werden: „Es ist Zeit, endlich mal den Drachen zu töten.“ Um erfolgreich Drachen zu töten, da gibt es in Minneapolis keine zwei Meinungen, wäre es allerdings hilfreich, wenn ein gewisser Musculus rhomboideus major wieder einwandfrei funktionieren würde.

Thomas Winkler