Gefragt wie nie

QUALIFIZIERUNG ErzieherInnen werden gesucht. Doch der Ausbildungsweg ist steinig, gerade für QuereinsteigerInnen

„Der Beruf des Erziehers ist attraktiv und hat etwas mit Berufung zu tun“

Ronald Pries, Die Linke

VON SIMONE SCHNASE

Der Ausbau von Ganztagsschulen und Kitas schreitet voran. Ab 2013 haben Eltern einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz auch für ihre ein- bis dreijährigen Kinder. Dafür werden ErzieherInnen gebraucht, und von denen gibt es zu wenig: In Hamburg stehen 580 BewerberInnen, die im nächsten Jahr die Fachschulen verlassen, rund 1.000 freie Stellen gegenüber, in Bremen werden 400 zusätzliche ErzieherInnen gebraucht.

Den Versuch, diesem Fachkräftemangel durch eine Verkürzung der Ausbildung zu begegnen, so wie es einige Landesregierungen planen, hält Ronald Pries, Erzieher und Fachreferent für Kinder und Jugend von der Linksfraktion in der Hamburger Bürgerschaft, für wenig sinnvoll: „Der Anspruch der Ausbildung ist sehr hoch“, sagt er. Neue Inhalte wie Dokumentation und Sprachförderung sollen zusätzliche Bestandteile des Berufs werden, da könne man die Ausbildungszeit nicht verkürzen.

Dabei müssten nach Ansicht von Pries noch viel mehr Erzieherstellen geschaffen werden, um den Personalschlüssel zu verbessern. Das Zahlenverhältnis in Hamburg gehört bundesweit im Krippenbereich zu den schlechtesten: Während Experten für drei Kinder eine ErzieherIn empfehlen, werden dort durchschnittlich 5,1 Kinder von einer Fachkraft betreut. In Bremen sieht es mit 3,3 Kindern besser aus. Allerdings ist der Kita-Ausbau hier noch nicht so weit fortgeschritten wie in Hamburg.

Das liegt nach Meinung von Pries nicht nur am Mangel an ErzieherInnen, denn von denen arbeite mehr als die Hälfte Teilzeit: „Es werden Betreuungsplätze geschaffen, aber keine Stellen aufgestockt oder zusätzliche Erzieher eingestellt“, kritisiert er. Und das gehe nicht nur zulasten der Kinder: „Viele ErzieherInnen erkranken aufgrund der Überlastung, und die meisten scheiden mit 50 Jahren aus dem Beruf aus.“ Hinzu komme die schlechte Bezahlung, die viele dazu veranlasse, in andere Berufe abzuwandern. „Nicht die Ausbildung muss verändert werden, sondern die prekären Beschäftigungsverhältnisse“, findet Pries.

Für ein Anfangsgehalt von circa 1.300 Euro netto nehmen angehende ErzieherInnen eine vier- bis fünfjährige Berufsausbildung auf sich: Neben einem mittleren Bildungsabschluss ist eine Vorbildung im sozialen oder sozialpädagogischen Bereich für die Ausbildung an einer Fachschule erforderlich. In Bremen geht ihr mittlerweile meist, so wie in Niedersachsen, eine zweijährige Ausbildung zum Sozialassistenten (SPA) voraus.

Wer zum Erzieher umschulen möchte, kommt in Bremen nicht umhin, SPA zu lernen – es sei denn, er hat Erfahrung im sozialpädagogischen Bereich. Erst anschließend können die UmschülerInnen eine Weiterbildung zum Erzieher machen. In Hamburg finanziert die Arbeitsagentur nur zwei der drei Umschulungsjahre.

Diese Umstände erschweren Umschulungen genauso wie eine Ausbildung für QuereinsteigerInnen: Diese können nur dann extern oder berufsbegleitend den staatlichen Abschluss machen, wenn sie über einschlägige Berufserfahrung verfügen. Berufsfremde müssen ein mindestens einjähriges Praktikum im Vorfeld absolvieren, dessen Finanzierung ebenfalls nicht geregelt ist.

„Der Beruf des Erziehers“, sagt Pries, „ist attraktiv und hat etwas mit Berufung zu tun“. Wäre das anders, würden nicht so viele Menschen den anspruchsvollen Ausbildungsweg auf sich nehmen. Aber die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung wirkten ähnlich abschreckend wie die komplizierten Wege hin zum staatlich anerkannten Erzieher für UmschülerInnen und QuereinsteigerInnen. Hier herrsche großer Verbesserungsbedarf.