DUELL IN DER NACHT
: Ein Häufchen Elend

Geh nach Hause zu deiner Mama

Ich warte auf die Tram. Es ist eine ruhige Sommernacht in Friedrichshain. Plötzlich Aufruhr: Zwei Männer stürzen aus dem italienischen Restaurant hinter der Haltestelle. Sie rangeln, stoßen sich mit den Händen, mit ihren Gesichtern kommen sie sich ganz nahe.

Der Jüngere ist vielleicht Mitte 20. Und einen Kopf größer als sein Feind. Er ist korpulent, sieht aus wie ein Riesenbaby und sagt: Lass die Finger von meiner Freundin. Warum machst du mit ihr rum? Was soll das? Du bist ein Arschloch. Der andere Mann, der Ältere, ist so um die 50. Er hat ein hartes Gesicht, trägt ein weißes Hemd, ist offensichtlich Kellner des Restaurants. Während sie sich weiterhin mit den Händen stoßen, sagt er mit italienischem Akzent: Geh nach Hause. Was willst du? Für mich bist du nur ein kleines dummes Kind.

Der Jüngere wirkt verzweifelt. Er kämpft um seine Freundin. Er würde den anderen gerne schlagen, traut sich aber nicht. Die Stimmung wird immer angespannter, bis der Jüngere mit brüchiger Stimme sagt: Wenn du sie noch mal anfasst, bringe ich dich um.

Jetzt wird der Ältere laut. Er schreit: Was hast du da gesagt? Wiederhol das! Na komm, sag das nochmal! Er steht dicht vor dem Jüngeren und dann knallt er ihm eine Ohrfeige ins Gesicht. Und dann noch eine und noch eine. Er schubst den Jüngeren weg und sagt: Lass dich hier nie wieder blicken. Wehe, wenn du noch einmal hierher kommst! Geh nach Hause zu Mama.

Der Jüngere gibt auf. Er kämpft mit den Tränen. Seine Schultern hängen herab. Er ist ein Häufchen Elend. Und geht. Der Ältere schaut ihm nach. In seinen Gesichtszügen gibt es keine Regung, keine Empfindung. Seine Augen sind eiskalt. Er geht zurück ins Restaurant.

Die Sommernacht ist wieder ruhig und friedlich. Eine Amsel zwitschert im Geäst einer Pappel. Die Tram kommt. ALEM GRABOVAC